Ethische Produkte im Kommen

Die Solidaritätsbewegung ist von der Bildfläche verschwunden, dafür aber boomt der Markt für politisch und ökologisch korrekte Produkte  ■ Von Bernd Pickert

Die Solidaritätsbewegung ist weg von der Straße – und rein in den Supermarkt. Mit Ausnahme Spaniens ist in den letzten Jahren in keinem europäischen Land mehr eine ernstzunehmende Nord–Süd-Bewegung zustande gekommen. Selbst die unzähligen Mittelamerika-Gruppen, die in den achtziger Jahren die politische Diskussion ganzer Strömungen der Linken prägten, sind von der Bildfläche verschwunden.

Dieser Entwicklung zum Trotz erlebt der alternative Handel mit der „Dritten Welt“ seit einigen Jahren einen Boom, wie ihn sich die VordenkerInnen dieser Form der Solidaritätsarbeit nie erträumt hätten – und wie ihn manche auch gar nicht gewollt hätten.

Nicht nur in Deutschland ist mit der Einführung des „TransFair“- Gütesiegels für Kaffee der Sprung aus dem Dritte-Welt-Laden ins Supermarktregal gelungen. Und damit auch der Schritt zu einem wahrnehmbaren Marktanteil. Die Bereitschaft, fürs politisch und ökologisch korrekte Produkt einen Aufschlag zu zahlen, ist größer geworden – trotz Rezession und sinkendem Einkommen.

Die Idee ist relativ simpel: In den Industrieländern gibt es einen Markt für „ethische Produkte“, und in den rohstoffexportierenden Ländern gibt es Kooperativen und kleinbäuerliche Strukturen, die auf bessere als die internationalen Preise angewiesen sind. Das Ergebnis: eine Liste mit Produzenten und ein Gütesiegel für die Produkte, die zum Mindestpreis direkt bei ihnen gekauft werden – egal von wem. Größte „TransFair“-Lizenznehmer sind denn auch in Deutschland die alternativhandelserfahrene Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten Welt (gepa), mit ihren Sorten „Camino mild“ und „Esperanza Öko“ sowie die große Union-Rösterei mit ihrem „Pedro“- Kaffee. Die ehemaligen Ankläger des „Kaffees, an dem Blut klebt“, also mit den einst als „Ausbeuter und Schlächter“ Gegeißelten in friedlicher Geschäftskonkurrenz und ansonsten transfair vereint im Supermarktregal.

Das gab Ärger, wenigstens in Deutschland. Hatten doch hier zahlreiche AktivistInnen der ersten Stunde niemals vor allem Kaffee verkaufen wollen – der alternative Handel sollte vielmehr Mittel zum Zweck sein, und der Zweck hieß: Bewußtseinsbildung, die ungerechten Weltwirtschaftsstrukturen aufdecken – Kaffee als Politschulung. Das, so die logische Befürchtung, geht nunmal im Supermarkt nicht, sei letztlich auch verlogen. Und deshalb sei auch das Ziel falsch, die Vertriebswege verändern zu wollen. Nein, in den Dritt-Welt-Läden, in der Nische, sei man eigentlich genau richtig angesiedelt. Die Entscheidung fiel anders, der Marktanteil steigt.

Nicht nur in Deutschland ist der alternative Handel im Kommen, und die Organisationsstrukturen werden besser: Schon 1987 gründete sich die European Fair Trade Association (EFTA), ein europäischer Dachverband der Handelsorganisationen, der seinen Sitz ausgerechnet im niederländischen Maastricht hat. 1993 waren bei den elf Mitgliedsorganisationen fast 600 Personen beschäftigt, die Umsätze lagen bei rund 73 Millionen Ecu, also rund 135 Millionen Mark. Schon in diesem Jahr sollen es rund 50 Prozent mehr sein.

Das Ziel der EFTA: Lobbyarbeit im EU-Europa. Und auf diesem Weg konnte der Verband vor knapp einem Jahr einen schönen Erfolg verbuchen: Das Europäische Parlament unterstützte in einer Entschließung die Bemühungen des Alternativhandels und stellte eine Reihe von Forderungen auf, so etwa, „daß sich die Gemeinschaft für den Abschluß fairer internationaler Abkommen über Rohstoffe und Erzeugnisse der Länder des Südens, wie Kaffee, Kakao, Tee, Bananen usw. mit gerechten und lohnenden Preisen für die Erzeuger einsetzt“.

Daß diese frommen Worte mit der nach Süden weitgehend abgeschotteten europäischen Importpolitik nicht viel zu tun haben, wissen auch die EFTA-MitarbeiterInnen. Daß aber in der gleichen Entschließung gefordert wurde, die Entwicklung von Fair-Trade-Gütesiegeln und die Arbeit der Organisationen finanziell zu fördern, bedeutete ein wenig mehr als nur schöne Anerkennung.

Der Alternativhandel hat sich von radikalen Tönen verabschiedet. Zwar braucht die Ausweitung des Handelsvolumens politisch korrekter Produkte ein vorhandenes Bewußtsein, geschaffen aber wird das durch „TransFair“-Kaffee im Supermarkt sicher nicht. Letztlich aber sind es die Weltläden und auch „TransFair“, die dafür sorgen, daß von der Solidaritätsbewegung der achtziger Jahre überhaupt noch etwas übrig ist. Die Idee von der „Zärtlichkeit der Völker“ wiegt 500 Gramm und kostet etwa zehn Mark.