Vietnamesen im Visier der Polizei

140 Festnahmen bei Großrazzia in einem Berliner Ausländerwohnheim / Unverzollte Zigaretten und Bargeld beschlagnahmt / Kritik von Freundschaftsverein  ■ Aus Berlin Dorothee Winden

Bei einer großangelegten Razzia in einem Ausländerwohnheim in Berlin-Marzahn sind gestern 140 Vietnamesen festgenommen worden. 120 von ihnen wurden erkennungsdienstlich behandelt. Das teilte der Pressesprecher der Senatsverwaltung für Inneres, Norbert Schmidt, mit. Am gestrigen Nachmittag war noch unklar, wie viele der Festgenommenen wieder auf freien Fuß kommen. Acht Festgenommene waren per Haftbefehl gesucht worden.

In dem Wohnheim in der Havemannstraße waren vor zwei Wochen fünf Vietnamesen ermordet und zwei weitere schwer verletzt worden. Die Mordkommission der Kriminalpolizei bat gestern zwei Vietnamesen zur Zeugenaussage, hieß es aus der Polizeipressestelle. Meldungen, wonach zwei Tatverdächtige verhaftet worden seien, seien falsch.

An dem Großeinsatz, der gegen fünf Uhr morgens begann und bis zum frühen Nachmittag andauerte, waren insgesamt 430 Beamte beteiligt. Das Amtsgericht Tiergarten hatte Durchsuchungsbefehle für sämtliche 84 Wohnungen des Heimes ausgestellt. Die Beamten beschlagnahmten neben 50.000 unversteuerten Zigaretten auch 250 Videokassetten, bei denen es sich vermutlich um Raubkopien handelt. Wie Schmidt erklärte, handele es sich um Filme wie „Aladin und die Wunderlampe“ und „Die Flintstones“, also „keine Hardcore-Ware“. Die Polizisten konfizierten außerdem 8.300 Mark und 1.500 US-Dollar Handelserlöse aus dem Verkauf von Schmuggelzigaretten.

Die Razzia habe auch dazu gedient, festzustellen, wer sich illegal in dem Wohnheim aufhalte, erklärte Schmidt. Bekanntermaßen lebt in den Heim kaum noch einer der 170 dort gemeldeten Mieter. In den 84 Wohungen sollen etwa 800 Vietnamesen leben, die sich illegal in Berlin aufhalten. Asylbewerber aus anderen Städten sollen nun zurückgeschickt werden. Das Wohnheim in der Marzahner Havemannstraße wird Ende des Monats geschlossen. Ein Teil der Mieter soll dann in ein ebenfalls hauptsächlich von Vietnamesen bewohntes Heim umgesetzt werden.

„Die Polizei steht unter Zugzwang und muß nach außen zeigen, daß sie aktiv ist“, kommentierte Tamara Hentschel vom deutsch-vietnamesischen Freundschaftsverein Reistrommel die Razzia. Im vorigen Jahr habe es solche Großrazzien häufig gegeben, während die Polizei in letzten Monaten dazu übergegangen sei, „bis zu dreimal täglich“ kleinere Durchsuchungsaktionen durchzuführen.

Bereits am Freitag hatte ein Großeinsatz in dem dritten von Vietnamesen bewohnten Heim in der Rhinstraße stattgefunden. Dort waren nach Schmidts Angaben 180 Personen überprüft worden. 39 waren vorübergehend festgenommen worden, davon wurden sechs per Haftbefehl gesucht. Meist handelt es sich hierbei um Verkäufer geschmuggelter Zigaretten, die ihre Geldstrafen aus früheren Strafverfahren nicht bezahlt haben.