„Verpackung für Kommerz-Zwecke“ – Uwe Riedel

Die Umgestaltungsvorschläge für die Innenstadt lassen sich als „Welle der neuen Prächtigkeit“ charakterisieren – wie ein Bühnenbild für Boulevard-Theater. Die aufgesetzte Heiterkeit unterstreicht aber nur die Öde; von Urbanität keine Spur. Dabei ist der alte öffentliche Raum unersetzlich für unser Stadtbewußtsein, er sollte zu mehr genutzt werden, als nur für die Verpackung kommerzieller Werte. Denn er könnte der Entsinnlichung unseres Arbeitslebens entgegenwirken, indem er zum Treffpunkt für alle Menschen würde. Urbanität ist mehr als die „Stadtfest“-Förderung von Bierkonsum oder Ladenerweiterungen. Urbanität bedeutet, daß die Stadt Identifizierungsort ist, eine Bühne des öffentlichen Lebens, eine Werkstatt, wo auch gesellschaftliche Defizite kompensiert werden können.

Mit nichts kann man einen Identifizierungsort stärker zerstören als mit Allerweltsmilieu. Belebt wird er dagegen dann, wenn sich nicht marktfähige kulturelle Fähigkeiten dort entfalten können und verschiedenste Gruppen sich dort selbst inszenieren. Dafür muß die Stadt Raum geben.

Neue Architektur als Verpackungsästhetik verhindert das. Sie schließt ein (Menschen in Passagen) und gleichzeitig aus (Menschen und Wetter). Sie widerspricht der Vision von demokratischem Umgang (Stadt für alle Bevölkerungsgruppen). Das gilt auch für das geplante Café auf dem Domshof: Es ist einfallslos zu glauben, daß es die Öde eines Platzes vertreiben hilft. Ein Platz lebt von seinen Rändern her, dort hat Planung anzusetzen. Ein Café wird nicht nur zum Kaffeetrinken aufgesucht, sondern weil man u.a. am öffentlichen Geschehen teilnehmen will oder wenn man (passive) Kontakte sucht. Deshalb sind die Fensterplätze die begehrtesten. Was aber soll man in einem Café, wo es draußen nichts zu sehen gibt?

Der Autor ist Leiter des stadtökologischen POLIS – Institut für Umwelt-Mensch-Beziehung an der Hochschule Bremen.