■ Erleichterung in Mexiko über neue Gespräche in Chiapas
: Kann man Freiheit verhandeln?

Einen Tag vor Ablauf des 30-Tage-Ultimatums, pikanterweise ausgerechnet der 76. Todestag von Emiliano Zapata, haben Regierung und Zapatistas den abgerissen Gesprächsfaden in Chiapas wiederaufgenommen. Nun hat die Zapatistenführung mit ihrem „Zugeständnis“ den Gegner wieder in Zugzwang gebracht. Denn die Bereitschaft, den Dialog trotz der massiven Armeepräsenz im Krisengebiet selbst abzuhalten, wird jetzt in der Öffentlichkeit allgemein als „goodwill“-Geste gelobt.

Aber die entscheidende Frage, die schon die letzten 15 Monate der zapatistischen Rebellion begleitet hat, ist nach wie vor offen: Worüber soll und kann überhaupt verhandelt werden an einem erneuten Runden Tisch im mexikanischen Südosten? Kurzfristig sicherlich über Konditionen für eine stabile Feuerpause, über Sozialpolitik und möglicherweise auch über Gesetzesreformen. An den zapatistischen Essentials – Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit – aber war schon der erste Dialogversuch im Februar letzten Jahres gescheitert. Ein Leben in Würde und die Utopie einer „anderen Republik“ sind schon per definitionem kein Ergebnis eines wie auch immer gearteten Verhandlungsprozesses.

Realpolitik und Pragmatismus ist von den zu allem entschlossenen Guerilleros aus Chiapas also kaum zu erwarten. Die Hoffnung der Regierung, daß der krisengeschüttelte Bundesstaat „in Kürze“ befriedet werden möge, kann getrost als frommer Wunsch betrachtet werden. Dennoch ist das Einschwenken auf die Dialoglinie von seiten der Zapatisten mehr als ein rein taktisches Manöver. Denn ein wichtiges Ergebnis eines Dialogs zwischen Guerilla, Zivilgesellschaft und Machthabern wäre es schon, wenn die marginalisierten IndianerInnen – aus Chiapas und anderswo – endlich teilhaben könnten an der anstehenden Debatte über die Zukunft der Republik.

Ob in absehbarer Zeit ein „würdiger und gerechter Frieden“ in Chiapas und anderswo einkehrt, wird weniger von der EZLN oder dem Verhandlungsgeschick der Regierung als vielmehr vom Rest der Gesellschaft abhängen. Und diese scheint langsam, aber sicher ihr Restvertrauen in die Krisenfähigkeit des PRI-Dinosauriers zu verlieren. Die Aufforderung, die Zapatisten mögen sich nun endlich die Kapuze vom Gesicht ziehen, die Waffen ablegen und am zivilen politischen Leben teilhaben, ist zur Zeit allerdings weder seriös noch realistisch. Denn wer könnte heutzutage, angesichts des mörderischen Zersetzungsprozesses in der politischen Szene des Landes, den demaskierten Aufständischen auch nur deren physische Integrität garantieren? Anne Huffschmid, Mexiko