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Die Angst der Konferenzteilnehmer

■ Menschenrechtler werden in Kolumbien verfolgt, weil sie vor dem Europaparlament von Militärübergriffen berichteten

Brüssel (taz) – Vor einem Monat fand in Brüssel eine Konferenz über die Menschenrechtssituation in Kolumbien statt, organisiert von Abgeordneten des Europaparlaments. Es war eine der vielen Konferenzen, die in Brüssel zur Tagesordnung gehören. Doch für die Teilnehmer, die aus Kolumbien angereist waren, ist das Leben seitdem noch schwieriger, vor allem aber gefährlicher geworden. Wenige Tage nach der Konferenz wurden die Teilnehmer in der Zeitung El Tiempo namentlich aufgelistet und beschuldigt, das Militär angegriffen zu haben. In Kolumbien bedeutet das Vogelfreiheit.

„Besonders die Verfolgungen und die Drohungen gegen den Vorsitzenden des Menschenrechtskomitees der Region Meta, José Giralda, haben nach der Konferenz zugenommen,“ sagt Jaime Prieto von der Gefangenhilfsorganisation CSPP. „Die Regierung hat sogar den Personenschutz für Giralda aufgehoben, den dieser wegen zahlreicher Morddrohungen bisher hatte.“ Prieto selbst habe, wie viele andere auch, anonyme Telefonanrufe bekommen. „Man hat versucht uns einzuschüchtern – mehrere Male wurde versucht, in mein Büro und in meine Wohnung einzubrechen, wir wurden von Autos ohne Nummernschilder verfolgt.“

Die Situation in Kolumbien, erzählt er, habe sich dramatisch verschlimmert. Allein seit August letzten Jahres, seit Ernesto Samper zum neuen Präsidenten gewählt wurde, sind fast 1.800 Menschen gefoltert oder umgebracht worden oder einfach verschwunden. Amnesty international sieht vor allem Militär und Polizei als Täter. Jaime Prieto attestiert der neuen Regierung, daß sie zumindest sensibler auf die Vorwürfe reagiere als die Vorgängerregierungen. Vor vier Wochen schickte sie sogar den Verteidigungsminister nach Brüssel – um zu verhindern, daß sich die EU-Regierungen bei der UNO- Menschenrechtskommission für die Entsendung eines Sonderberichterstatters nach Kolumbien einsetzen.

Immerhin will die Regierung bei den Militärgerichten, die für die Verfolgung von Straftaten der Soldaten zuständig sind, künftig pensionierte Offiziere als Richter einsetzen, die nicht mehr in unmittelbarem Kontakt zu den aktiven Soldaten stehen. Den Militärs geht das bereits zu weit, sie laufen Sturm gegen das Gesetz. „Die Fortschritte sind gering“, klagt Prieto. Alois Berger

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