Konflikte waren vorprogrammiert

■ betr.: Fahrraddemo 2. 4. 95

Schon vorher waren Infos spärlich: Vergeblich lauschen wir nach Autofrei-Meldungen in Lokalnachrichten, Demoroute und Uhrzeiten sind nicht sehr bekannt, Stadtzeitungen und Tagespresse versagen (taz natürlich nicht), keine Plakate, nichts.

Wir organisieren ein Biker- breakfast, um danach ab Südstern die Route 2 zu befahren. Fröhlicher Dinge ziehen wir los, Kinder nach vorne, sie bestimmen als Langsamste unser geplantes Tempo. Was folgt, ist ein Horrorszenario: Wir bekommen, wie auch andere Biker, die geballten Aggressionen der Autofahrer ungeschützt hautnah zu spüren. Allein von unserem kleinen Grüppchen (zehn Leute) wurden drei Fahrradfahrer angefahren, darunter ein achtjähriger Junge. [...]

Die Schuld traf aber nicht immer die Autofahrer, sie waren teilweise ganz uninformiert, und die Demo-Route war nicht abgesperrt! An vielen Kreuzungen drängten Autos und Radler – jeder fühlte sich im Recht – über gegenseitig verstopfte Straßen. Viele Radfahrer hielten solidarisch selbst die Kreuzungen frei, indem sie sich mit dem Rad vor die Autos stellten, damit die Demo unbeschadet vorbeikam. Aber das war nur eine lebensgefährliche Notlösung, die Konflikte waren vorprogrammiert.

Die nächste Fahrraddemo muß unbedingt besser organisiert sein, vor allem aber für Autos abgesperrt, mit reichlich Zeit auch für langsame Fahrer und großzügig gekennzeichnet. Bei professionellen Fahrradrennen oder Marathonläufen klappt das doch auch.

Entgegen früheren Erlebnissen verhielten sich die wenigen Polizisten, die wir sahen, neutral bis sogar manchmal demofreundlich. Sie schienen von Kreuzung zu Kreuzung zu hetzen und die Situation nicht im Griff zu haben. Ich hätte ja gedacht, sie sind vollkommen unterbesetzt, wäre da nicht das massive Polizeiaufgebot auf der Autobahn gewesen, damit ja kein Biker seine Route überschreitet.

Klar, ab Wilmersdorf/ICC war Friede, Freude, Eierkuchen, aber einige Kids mit Vätern/Müttern halten sich jetzt nicht mehr für Fahrraddemo-tauglich. Jürgen Brauweiler, Berlin