Männerreiche, Fraueninseln?

Seit 15 Jahren geht es in der taz quotiert zu. Doch wohin hat die Frauenquote geführt? Eine Sozialpädagogin begab sich auf Spurensuche.  ■ Von Klaudia Brunst

„Vieles von dem, was wir vor einem halben Jahr im Vertrauen auf unsere Kräfte formuliert haben, konnten wir nicht einlösen. Wir haben es noch nicht geschafft, eine Frauenredaktion auf die Beine zu stellen, wie sie unseren Vorstellungen entspräche.“

Am Ostermontag wird es sechszehn Jahre her sein, daß die taz- Frauen zum ersten Mal öffentlich über ihre schwierige Lage klagten. Es war, man mag es im nachhinein kaum glauben, der Tag, an dem die erste reguläre taz- Ausgabe überhaupt erschien. Schon nach der Produktion von zehn Nullnummern stellten die sechs Redakteurinnen der ersten Stunde resigniert fest, wie schwer es trotz aller guten Absichten war, sich gegen die Übermacht von 26 Kollegen zu behaupten. „Wir werfen die Flinte (noch) nicht ins Korn“ titelten sie am 17. 4. 1979 auf der Seite3 und fanden die Ursachen für ihre Frustrationen schon damals in den „internen Verhältnissen der taz“: In den Ressorts Internationales und Innenpolitik sei bis heute keine Frau vertreten, erklärten sie ihren LeserInnen, „und die Unterstützung der Männer ist ohnehin nicht der Rede wert“.

Immerhin, die erste Klage hat sich mittlerweile erledigt. Seit fünfzehn Jahren folgt die taz in ihrer Personalpolitik einem Quotierungsbeschluß, demzufolge 52 Prozent aller Planstellen von Frauen besetzt werden müssen. Kaum ein anderer privatwirtschaftlicher Betrieb dieser Größenordnung hat so weit zurückreichende Erfahrungen mit einer Quotenregelung. Aber was hat die Quote in dieser Zeit tatsächlich bewirken können? Ist die paritätische Besetzung der Stellen wirklich der Schlüssel zum Erfolg in der Gleichstellungspolitik? Kann sie einen internen Aufstieg in betriebliche Führungspositionen fördern, wie von vielen BefürworterInnen immer wieder behauptet, oder ist nicht vielmehr jedes Gleichstellungsgesetz, wie es die Berliner Abgeordnete Sibyll Klotz (Bündnis 90/Die Grünen) formulierte, „nur so gut, wie es umgesetzt wird“?

Eine Studie, durchgeführt von der Sozialpädagogin Birgit Haase an der Berliner Fachhochschule Alice Salomon, hat sich nun dieser Fragen angenommen. Haase befragte die Berliner taz-Mitarbeiterinnen im letzten Winter nach ihren Erfahrungen mit der Frauenquote und kam in ihrer Untersuchung „Männerreiche, Fraueninseln“ zu dem Ergebnis, daß auch die taz-Quote „zunächst nur eines regelt: den Zugang zur Arbeit überhaupt“.

Denn wenn auch inzwischen jeder zweite taz-Mitarbeiter eine Mitarbeiterin ist und wenn die Frauen auf ihrem Marsch durch die taz-Hierarchie relativ weit gekommen sind, so sind sie doch – auch nach über fünfzehn Jahren – noch immer nicht ganz oben im taz-Himmel angelangt. Im taz- Vorstand sitzt eine Frau vier Männern gegenüber, in der Chefredaktion wird sich nach dem Weggang von Elke Schmitter nur noch rasiert, und auch die „Technik“ (Satz, Korrektur und Layout) hört auf einen sonoren Bariton. Allein in der Redaktion spiegelt sich die Quotierung angemessen wider: In immerhin fünf von acht Ressorts hatten zum Zeitpunkt der Befragung Frauen das Sagen.

Dennoch: Zwei Drittel der von Haase befragten tazlerinnen gaben an, ihr direkter Vorgesetzter sei ein Mann. Gleichzeitig arbeiten nur 13 Prozent der Befragten in ihrem direkten Arbeitsumfeld überwiegend mit Männern zusammen. Und nimmt man nicht die Pro- Kopf-Statistik, sondern die Planstellen zur Grundlage für den Quotierungsbeschluß, so zeigt sich, daß dieser Beschluß nicht einmal eingehalten wird: denn die Teilzeitstellen, die vorwiegend von Frauen besetzt sind, beschönigen die Statistik.

Die taz hat sich mit ihrer Quote, so ein weiteres Ergebnis der Untersuchung, diverse Männerreiche und Fraueninseln geschaffen. Im „Layout“ gestalten überwiegend Männer das Gesicht der Zeitung, in der „Korrektur“ bügeln vor allem Frauen die Fehler aus. Im Ressort „Inland 2“, zuständig für die eher „weichen“ sozialpolitischen Themen, sammeln sich die Redakteurinnen, im „Inland 1“ machen die Männer harte Parteipolitik.

Auch fünfzehn Jahre taz-Quote scheinen jenen kleinen Unterschied also nicht gänzlich auszumerzen, den Feministinnen wie die Soziologin Elisabeth Beck-Gernsheim schon Mitte der siebziger Jahre postulierten: Weil Mädchen anders sozialisiert würden als Jungen, so die Argumentationskette, bildeten Frauen andere Qualifikationen aus als Männer und zeigten als Kolleginnen dann meist weniger Bereitschaft zum konkurrenten Wettbewerbsverhalten. Frauen hätten dagegen mehr Lust auf Kommunikation und Teamarbeit als ihre männlichen Mitbewerber.

taz-Frauen, die es bereits zu einer Führungspositionen gebracht haben, auch das stellte Haase fest, unterscheiden sich in ihren privaten Lebensverhältnissen nur sehr geringfügig von ihren Kolleginnen: Sie haben prozentual genauso häufig Kinder und leben ebensooft allein wie die Vergleichsgruppe. Daß die Doppelbelastung durch Haushalt und Beruf Frauen an der Übernahme von Leitungsaufgaben hindere, wie von Quotierungsgegnern gelegentlich angeführt, stimmt also für die taz nicht. Allerdings muß auch eine taz-Chefin ihre gesamte Arbeitskraft in den Job investieren. Teilzeitarbeit und Führungsposition sind auch in der taz immer noch kein Thema.

Das vielleicht auch für die taz- interne Diskussion wichtigste Ergebnis der Befragung besteht aber darin, daß über die Hälfte der taz- Frauen angab, durchaus an einer Leitungsfunktion in ihrem Betrieb interessiert zu sein. Das gelegentlich beklagte mangelnde Selbstbewußtsein, jenes „Nicht-aufrücken- Wollen“ von Frauen, kann eine seit längerem umgesetzte Quotenpolitik also offensichtlich positiv verändern. Allerdings steht zu befürchten, daß nicht alle Frauen tatsächlich abschätzen, wie dünn die Luft im taz-Himmel wirklich ist: Denn 90 Prozent der taz-Frauen mit Leitungsfunktion beklagten die Männerdominanz in den Führungsetagen, unter den Kolleginnen an der Basis waren es dagegen nur drei Viertel.

Während also, so die Interpretation von Birgit Haase, „die Leitungsfrauen für ihre Kolleginnen ein ermutigendes Anzeichen für die angestrebte Umsetzung weiblicher Führungsansprüche sind“, fühlen sich die Chefinnen selbst angesichts der immer noch deutlichen Männerübermacht häufig „eher verloren auf ihrem Posten“.