Kurdenparlament gedenkt der Kämpfer

In den Niederlanden gründete sich gestern ein 65köpfiges Exilparlament der Kurden, die PKK ist beteiligt / Deutschland wegen „Beteiligung am Völkermord“ angeklagt  ■ Aus Den Haag Harald Neckelmann

Vertreter kurdischer Organisationen haben am Mittwoch in Den Haag ein kurdisches Exilparlament gegründet. Über 400 Kurden aus Europa nahmen an der Eröffnungsveranstaltung teil. Mit einer Gedenkminute für alle im Kampf für ein freies Kurdistan gefallenen Kämpfer begann die Sitzung des neuen Parlamentes, das 65 Abgeordnete umfaßt. Unter lautem Applaus wurde anschließend die rotgelbgrüne Fahne gehißt.

Die Abgeordneten waren aus Wahlen unter kurdischen Exilgruppen in Europa, Nordamerika, den GUS-Staaten und Australien hervorgegangen. Das Parlament verstehe sich aber als Vertretung aller Kurden, auch der im Irak lebenden, formulierte Ali Sapan, Sprecher der ERNK, des politischen Flügels der Arbeiterpartei Kurdistans, PKK. Die ERNK ist mit zwölf Sitzen die stärkste Fraktion im Exilparlament, gefolgt von der in der Türkei verbotenen Demokratie-Partei (DEP) mit sechs Sitzen. Deren Vorsitzender Hatip Dicle, einer der sechs in Ankara inhaftierten Abgeordneten der DEP, erklärte in einer schriftlichen Grußadresse, die Parlamentsgründung werde „eine bedeutende Rolle dabei spielen, den Willen des kurdischen Volkes in der internationalen Arena auszudrücken“.

Die Föderation der assyrischen Christen rechnete mit vier Sitzen, auch die Alevitische Union und die Union der kurdischen Frauen sind im Parlament vertreten. Nicht in Den Haag erschienen die Sozialistische Partei Kurdistans und der ihr nahestehende Verband Komkar. PKK-nahe Kräfte bezeichneten deren Absage als „Verrat“.

In seiner Eröffnungsrede sagte der Leiter des Kurdischen Instituts Ismet Serif Vanly, das kurdische Volk habe jetzt eigene politische, militärische, wirtschaftliche und kulturelle Institutionen. Das Exilparlament sei ein erster Schritt zu einem länderübergreifenden Kurdischen Nationalkongreß. Vanly forderte für das Exilparlament einen Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen, dem Europarat und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).

Einen klaren Bezug zu Deutschland erhielt die Veranstaltung nicht nur durch eine Solidaritätsadresse von Bündnis 90 /Grüne. Deren Vorstandsmitglied Kambiz Behbahani forderte in Den Haag die Türkei auf, die inhaftierten und zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilten DEP-Abgeordneten freizulassen und eine politische Lösung des Kurdistan-Konfliktes zu suchen.

Parlamentspräsident Vanly wies auch auf die Verantwortung Deutschlands für den Krieg in Kurdistan hin: „In der Türkei findet ein Völkermord mit deutschen Waffen statt. Niemand kann den Kurden übelnehmen, wenn sie darüber wütend sind.“ Und ERNK-Sprecher Ali Sapan ergänzte: „Wenn Deutschland den Krieg in Kurdistan zu beenden versucht, wird auch der Krieg in Deutschland enden.“

Bis zuletzt hatte die Türkei versucht, die niederländische Regierung zu einem Verbot der Gründungsveranstaltung zu bewegen. Der Forderung kam die Regierung in Den Haag jedoch nicht nach, da sie das Treffen als ganz normale politische Zusammenkunft auffaßte, für deren Verbot es keinen Anlaß gebe. Außenminister Hans van Mierlo erklärte, „terroristische oder illegale Kräfte“ würden nicht geduldet werden.