Griechische Unternehmen wollen was unternehmen

■ Die ex-jugoslawische Republik Makedonien lockt mit Investitionsmöglichkeiten und daher soll Athen die Handelsblockade gegen den Nachbarstaat aufheben

Genf/Thessaloniki (taz) – Hinter dem ganzen Makedonien- Problem steckt die Strategie der Türkei, Griechenland mit muslimisch kontrollierten Gebieten zu umzingeln.“ Der junge Grieche, der an der Hafenpromenade von Thessaloniki ein Café betreibt, läßt sich auch in mehrstündiger Diskussion nicht von dieser Überzeugung abbringen. Und er ist „sicher, daß die große Mehrheit“ seiner Landsleute genauso denkt. Auf deutlichen Widerspruch stößt diese Einschätzung im Büro von Kostas Triaridis, einige hundert Meter oberhalb des Hafens. Der „Minister für Makedonien und Thrazien“ der Athener Regierung bemüht sich sichtbar um Entdramatisierung und die Vermeidung jeglicher chauvinistischer Töne. Die Türkei spiele „keine Rolle in Griechenlands Konflikt mit der Fyrom“. Das Kürzel steht für „Former Yugoslav Republic of Macedonia“, der vorläufigen Bezeichnung, unter der der nördliche Nachbarstaat bis zur Beilegung des Streits zwischen Athen und Skopje bei der UNO geführt wird.

Auch für Behauptungen, Griechenlands Sicherheit werde durch die Fyrom mit ihrer rund 8.000 Mann starken Armee bedroht, sieht Minister Triaridis „keine Grundlage“. Zumindest derzeit nicht. Der von der Regierung in Skopje verlangte Name „Republik Makedonien“ bedeute allerdings eine „Verwendung des Begriffs ,Makedonien‘ in einem ethnischen Sinne“. Erhalte die Fyrom diesen Namen, befürchtet Triaridis, daß „irgendwann in der Zukunft einmal der Anspruch auf die Vertretung der nordgriechischen Makedonier erhoben wird“. Zumal die Verfassung der Fyrom diesen Anspruch nach wie vor nicht eindeutig ausschließe.

Dies ist der zentrale Kern der griechischen Bedenken gegen den Namen „Republik Makedonien“. Triaridis macht keinen Hehl daraus, daß Griechenland seine Haltung gegenüber seinen Partnern in der Europäischen Union „zunächst schlecht präsentiert hat“. Diese Selbstkritik ist auch von GesprächspartnerInnen im Athener Außenministerium, bei den politischen Parteien oder in politischen und historischen Institutionen der Hauptstadt zu hören. Als denkbare Kompromisse mit Skopje kämen für Griechenland Namenskombinationen in Frage, bei denen „der Begriff Makedonien in einem geographischen oder historisch eindeutigen Sinne verwendet wird“. Zum Beispiel: „Nord-, Skopje- oder Neu-Makedonien“.

Die Regierung in Athen steht unter wachsendem Druck vor allem nordgriechischer Unternehmer, die auf eine Aufhebung der Wirtschaftsblockade gegen die Fyrom und eine Normalisierung der Beziehungen mit Skopje drängen. Sie wollen die Investitionsmöglichkeiten nutzen, die Skopje mit dem neuen Progamm zur Privatisierung staatlicher Betriebe geschaffen hat. Doch noch ist das Bedürfnis der Athener Regierung nach Gesichtswahrung stärker als wirtschaftliche Interessen. Die Forderung Skopjes nach Aufhebung der Blockade vor den ursprünglich auf den 6. April angesetzten Direktverhandlungen beider Regierungen in New York wies Athen zurück. Die Verhandlungen wurden auf Ende April vertagt.

Eine baldige Beilegung des Streits mit dem nördlichen Nachbarn läge in der Logik der von Außenminister Karolos Papoulias seit einiger Zeit betriebenen aktiven Balkanpolitik. Nach Papoulias Besuch in Tirana wird die Unterzeichnung eines Freundschaftspakts mit Albanien vorbereitet. Zur Beilegung bilateraler Probleme – wie die Beschäftigung „illegal“ in Griechenland lebender AlbanerInnen und die Rückführung ihrer Ersparnisse nach Albanien – werden jetzt pragmatische Lösungen angestrebt. Im Jugoslawienkonflikt sieht Griechenland sich in der Rolle des Vermittlers. Anfang März fädelte Papoulias gemeinsam mit dem iranischen Außenminister Velayati direkte Kontakte zwischen Sarajevo und Belgrad ein, die schließlich zu Gesprächen zwischen Bosniens Botschafter in der Schweiz Mustafa Filipović und Serbiens Präsident Slobodan Milošević führten. Die Athener Regierung betont Griechenlands „Brückenfunktion“ zwischen der EU und den ehemals zum Ostblock gehörenden Balkanstaaten. Man erwartet allerdings auch eine stärkere Unterstützung der eigenen Balkanpolitik durch die EU- Partner.

Das größte Problem heißt weiterhin Türkei. Neben dem mangelnden Interesse der EU und der USA für eine Beendigung der völkerrechtswidrigen türkischen Besatzung Nordzyperns gibt es für die politische Klasse Griechenland in jüngster Zeit wachsende Anzeichen, daß Griechenland spätestens nach dem Ende des Ost-West-Konflikts für Nato und EU politisch, geostrategisch und wirtschaftlich erheblich an Bedeutung verloren und die Türkei gewonnen hat. Dies erschüttert das griechische Selbstvertrauen und könnte im negativen Fall dazu führen, daß in der Mazedonien-Frage chauvinistische Heißsporne eines Tages wieder größeren Einfluß auf die Politik Griechenlands gewinnen. Andreas Zumach