Radeln an der Seine

■ Ungewöhnliche Paris-Touren – Abgasen und Autoschlangen zum Trotz

Mit dem Fahrrad ist Johan Dewinter in den Gassen der Grünen Stadt, einem idyllischen Viertel im Süden der Seine-Metropole, unterwegs. Mit einem Dutzend anderer Touristen radelt der Belgier vorbei an winzigen Häusern, an denen Efeu und wilder Wein hochranken. An der Spitze der Gruppe fährt der Reiseführer Michel Noe, der die Stadt nicht per Bus, sondern vom Rad aus präsentiert. Notre Dame, das Quartier Latin und der Louvre – natürlich liegen auch die klassischen Touristenattraktionen auf den Routen der Veranstalter, die Erkundungsreisen in Paris auf zwei Rädern anbieten. Drei Fahrradverleiher haben solche Rundfahrten im Programm. Die Spezialität eines Veranstalters sind der Süden und der Osten der Stadt. Dort können die Radler unbehelligt vom Autoverkehr an Grüngürteln oder dem Kanal Saint Martin entlangrollen, der sich durch die Stadt schlängelt.

Um dorthin zu kommen, lassen sich aber die großen Straßen nicht immer vermeiden. Am Platz der Bastille, einem Verkehrsknotenpunkt im Osten der Stadt, startet an diesem Tag eine kleine Reisegruppe aus dem belgischen Gent, zu der auch Dewinter gehört, ihren dreistündigen Ausflug. Die Fahrt führt über die Busspur des stark befahrenen Boulevard Henri IV. Links rollen die Autoschlangen, rechts bleiben die Passanten stehen und schauen der Gruppe mit einem erstaunten Lächeln hinterher. Geschickt bugsiert Führer Noe, erkennbar am rotem Fähnchen, die Radler durch den Verkehr. „Jetzt links“, ruft er und tastet sich in eine stark befahrene Kreuzung hinein. Die Gruppe schwenkt in die Fahrbahnmitte, Noe hebt den Arm – und die Autos auf der anderen Fahrbahnseite bleiben stehen. Als der ehemalige Buchhändler aus Brüssel vor drei Jahren seine erste Fahrradtour in der Seine-Metropole startete, hielten ihn seine Freunde für verrückt. Aber mittlerweile führt er 1.200 Leute im Jahr auf dem Drahtesel durch die Stadt, für 150 bis 170 Franc (44 bis 50 Mark) – Versicherung und Leihgebühr fürs Fahrrad inklusive. Über die Hälfte seiner Kunden kommen aus Paris und Umgebung. „Sie sind erstaunt, wie einfach man sich mit dem Fahrrad fortbewegen kann“, sagt Noe. Und das, obwohl es in ganz Paris nur rund zehn Kilometer Radweg gibt. Daß den Radlern nicht immer lästige Abgase und dichter Verkehr erspart bleiben, muß Oliver Cathala, Geschäftsführer eines Veranstalters, einräumen – vor allem dann, wenn die Touren wie bei seiner Agentur eher durch die traditionellen Touristenzentren führen. Deshalb macht er sich über die Zukunftschancen des Marktsegments „Paris per Rad“ nur wenig Illusionen. dpa

Bereits drei Veranstalter bieten Radtouren in Paris an: „Paris à velo se sympa“, 0033-1-48876001; „Paris velo“, 0033-1-43375922; „Paris Bike“, 0033-147429502