■ Das Portrait
: Bauhaus-Direktor

Rolf Kuhn Foto: Sulzer-Kleinemeier

Wer sich selbst beerbt, beerbt die Vergangenheit, heißt es im Volksmund. Doch es ist nicht nur dieses Klischee, dem sich der neue und alte Direktor am Dessauer Bauhaus gehörig entzieht. Rolf Kuhn, der am Mittwoch vom Bauhaus-Stiftungsrat zum Leiter der renommierten Bau- und Kunstschule ernannt wurde, ist zwar sein eigener und legitimer Nachfolger, weil er das Amt bereits seit 1987 innehatte. Aber daß der Bauhaus-Chef mit dem Rauschebart das Dessauer Institut, das Walter Gropius 1925 in schnittigen Formen erbaute, als museale Einrichtung, reinen Geschichtsort oder Traditionsverein der Moderne führte, entbehrt jeder Grundlage.

Im Gegenteil. Seit den späten Jahren der DDR löste Kuhn das Bauhaus Stück für Stück beharrlich aus einer verordneten Lethargie. Im Haus richteten er und seine wissenschaftlichen Mitarbeiter neue Sammlungen und Institute mit interdisziplinären Fachgebieten für Architekten, Planer, Designer sowie Künstler ein. Workshops gaben der angestaubten Einrichtung, an der einst Paul Klee oder Wassily Kandinsky unterrichteten, eine andere Dimension. Dazu zählt auch, daß die Bauhausarchitekturen vor Ort, die Siedlung Dessau-Törten und die „Meisterhäuser“ von Gropius aus den 20er Jahren als „dezentrales Museum“ zugänglich und wieder erlebbar gemacht werden sollten.

Rolf Kuhns wohl spektakulärster Innovationsschub für das Bauhaus ist das Konzept „Industrielles Gartenreich“, womit er dem alten Kunst- und Architekturinstitut zu einer ökologischen Orientierung verhelfen will. Ausgangspunkte für das zukünftige Bauhaus, seine Lehrer und Studenten sollen die wirtschaftlichen und ökologischen Probleme der Dessau- Wörlitzer Region und ihre kulturellen Hinterlassenschaften sein. Mit modellhaften Pojekten ist geplant, die altindustriellen Landschaften zu revitalisieren und die Ökologie mit den Industriekolossen der Braunkohle- und Chemiereviere „zu versöhnen“. Das Konzept möchte Kuhn sogar in die Expo 2000 integrieren.

Der 49 Jahre alte Soziologe aus Thüringen hatte es nicht leicht, sich gegen rund 80 Mitbewerber durchzusetzen. Gegner des Bauhaus- Vordenkers lancierten im Spiegel kurz vor der Wahl einen Beitrag, der Kuhn „Ost- Seilschaft“ sowie Manipulation bei der Bewerbung vorwarf und das Bauhaus als desolate Einrichtung denunzierte. Nur so war Kuhn nicht zu beerben. Rolf Lautenschläger