Wer nicht mehr fliehen kann, der kämpft

■ Kriegsvorbereitungen auf allen Seiten im Dreieck Zaire-Ruanda-Burundi

Berlin (taz) – Die neuen Spannungen zwischen Ruanda und Zaire haben die Kriegsgefahr in diesem Teil Ostafrikas wieder sprunghaft ansteigen lassen. Ein bewaffnetes Kommando von bis zu 100 Mann, das aus Ruanda kam, hatte in der Nacht zum Mittwoch das ruandische Flüchtlingslager Birava in Zaire angegriffen und dabei nach jüngsten UN-Angaben 35 Menschen getötet, darunter zahlreiche Frauen und Kinder. Zaires Regierung machte dafür Ruandas Regierung verantwortlich, die von den einstigen Rebellen der „Ruandischen Patriotischen Front“ (RPF) dominiert wird. Die jedoch dementiert: Er wisse nicht, wer hinter dem Angriff stecke, sagte Ruandas Innenminister Seth Sendashonga, und wußte dann aber doch etwas: „Extremistische ruandische Flüchtlinge“, behauptete er, wollten „den anderen ihre Stärke beweisen“. Sollte dies so sein, hieße es, daß Leute aus Zaire die Grenze nach Ruanda überqueren und dann in voller Montur auf Booten über den grenzbildenden Kivu-See zurückfahren können, ohne daß in Ruanda irgendjemand etwas merkt oder gar einschreitet.

In jedem Fall ist es der bisher blutigste Angriff an einer Grenze, wo die Spannungen schon seit der ruandischen Massenflucht vom Sommer 1994 gären. Seit einigen Monaten kommt es wiederholt in grenznahen Regionen Ruandas zu bewaffneten Zwischenfällen – so tötete ein mutmaßlich aus Zaire kommendes Kommando am 22. Februar in der Grenzstadt Gisenyi, nur wenige Kilometer vom zairischen Goma entfernt, einen Krankenhausdirektor. Anfang April begann dann Ruandas Regierung, Hilfslieferungen für die Flüchtlingslager in Zaire unter Verweis auf die dortigen militärischen Aktivitäten zu blockieren. Nach UN-Angaben stecken mittlerweile in Cyangugu im Südwesten Ruandas 29 Lastwagen mit Hilfsgütern fest, dazu 24 Fahrzeuge in der Hauptstadt Kigali. Die UNO ist verärgert: Ein Beamter des Welternährungsprogrammes behauptete gar, es gebe keine Anzeichen für militärische Aktivitäten in den Flüchtlingslagern von Zaire, was allen Beobachtungen von Hilfsorganisationen widerspricht. Ende März hatte die Hilfsorganisation „Oxfam“ berichtet, in den Lagern bei Goma seien zehn bis zwölf Iljuschin-Transportflugzeuge mit Waffen aus Bulgarien und Ägypten gelandet. Erstmals hatte auch ein Sprecher des UN- Flüchtlingswerkes UNHCR solche Flüge bestätigt und gesagt: „Wir können keine spezifischen Flüge nennen, aber die Tatsache ist allgemein bekannt.“

Die wachsenden Spannungen haben sicher zum Teil mit der sich verschlechternden Ernährungslage zu tun. Im Februar hatte die UNO die Nahrungsrationen für die Flüchtlinge im zairischen Goma bereits auf die Hälfte der eigentlich notwendigen 1.900 Kalorien pro Tag reduziert. Grenzüberfälle zwecks Plünderung haben seitdem zugenommen. Ein anderer Grund ist der von solchen Zwischenfällen genährte Trend zur Grenzabschottung gegen Flüchtlinge – jüngstes Beispiel ist die Schließung der Grenze Tansanias für aus Burundi kommende Hutus, die sich vor der von Tutsi dominierten burundischen Armee in Sicherheit bringen wollen.

Die ruandisch-zairischen Spannungen betreffen auch Burundi, denn mit den nach Goma gelieferten Waffen decken sich auch nach Zaire geflohene Burunder ein, die damit die in Burundi operierenden Hutu-Guerillagruppen versorgen. Burundis Armee wiederum läßt sich nach Angaben burundischer Kirchenkreise zur Zeit von China mit über Tansania geliefertem Militärmaterial aufrüsten. So ist zu befürchten, daß innenpolitische Krisen in Ruanda und Burundi, die in letzter Zeit zumeist zu Fluchtbewegungen führten, nun möglicherweise verschärft mit der Waffe gelöst werden. Dominic Johnson