Justizsenatorin will kurzen Prozeß machen

■ Peschel-Gutzeit fordert Verkürzung des Rechtswegs / Für viele Rechtsfälle soll es künftig nur eine Instanz geben

Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD) hat vorgeschlagen, den Rechtsweg zu verkürzen und teilweise gar keine zweite Instanz mehr zuzulassen. Das verkürzte Verfahren könne für sehr viele Rechtsfälle ohne grundsätzliche und ohne große wirtschaftliche Bedeutung gelten, vertritt die Senatorin. Der Rechtsstaat werde keinen Schaden nehmen, wenn die oft „sehr verzwickten, langen und verwickelten Instanzenwege“ gekürzt werden, sagte die Justizsenatorin in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur ADN. Es werde aber immer Fälle geben, die überprüft werden müssen, räumte sie ein. Dafür könne aber auch die zweite Instanz ausreichen.

Ihr Vorschlag sei „natürlich etwas revolutionär“, stellte Peschel- Gutzeit fest. Man müsse sich aber fragen, was die Alternative sei. Die Belastung der Gerichte sei ständig gestiegen. Sie appellierte an die Bundesjustizministerin und die Bundestagsabgeordneten, nicht immer neue Ansprüche zu schaffen, die gerichtlich durchgesetzt werden könnten. „Ihr wißt, wir schaffen es nicht mehr“, sagte sie. Mit dem neuen Insolvenzrecht werde den Gerichten eine zusätzliche Belastung aufgebürdet.

Einschränkung ist der „falsche Weg“

„Es hat immer mal wieder den Versuch gegeben, die Rechtssicherheit und die Möglichkeit, Gerechtigkeit zu finden, einzuschränken“, kommentierte Rechtsanwalt Christian Ströbele gestern Peschel- Gutzeits Vorstoß. Dies sei aber der „falsche Weg“, meint der ehemalige Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen. Vielmehr müsse man die Gerichte „so ausstatten, daß sie in einer angemessenen Zeit Urteile fällen können“. Ströbele wies auch darauf hin, daß in vielen Zivilprozessen ohnehin nur zwei Instanzen möglich sind. „Man kann nicht einfach so durch die Instanzen wandern, wie das oft dargestellt wird.“ In vielen Fällen müsse die höhere Instanz Rechtsfehler der Vorinstanz ausbügeln. Peschel-Gutzeit will das Thema bei der Justizministerkonferenz im Juni in Dessau zur Sprache bringen. Umgesetzt werden kann der Vorschlag nur bundeseinheitlich. Peschel-Gutzeits Behörde arbeitet derzeit in Zusammenarbeit mit der Anwaltskammer an einem Katalog für eine „Verschlankung“ des Rechtswegs. Sie hält beispielsweise eine Durchforstung der mit „Rechtsmitteln noch und noch“ ausgestatteten Ordungswidrigkeitsverfahren für dringend erforderlich.

Peschel-Gutzeit hatte sich bereits kurz nach ihrem Amtsantritt im März 1994 für Schnellverfahren eingesetzt. Straftäter, die beweiskräftig auf frischer Tat ertappt würden, sollten innerhalb von 24 Stunden verurteilt werden. Eingerichtet wurden daraufhin im Juni letzten Jahres besondere Strafkammern. Dort werden beispielsweise vietnamesische Zigarettenhändler und Verkehrssünder in Schnellverfahren abgeurteilt. Dorothee Winden