Ist Gysi ansteckend?

■ Streit um Veranstaltung zum 8. Mai: Frauensenatorin lädt Moderatorin aus, die früher Jutta Gysi als Referentin einlud

Hält Frauensenatorin Christine Bergmann (SPD) Gysi für eine ansteckende Krankheit? Wollte sie einen Vortrag von Jutta Gysi verhindern, nur weil diese früher mal mit dem PDS-Politiker verheiratet war? Sorgte sie dafür, daß Halina Bendkowski eine Diskussion nicht moderieren darf, weil die stadtbekannte Feministin sich für Frau Gysi stark machte? Hartnäckig hält sich das Gerücht, daß die sonst als souverän und engagiert bekannte Senatorin hier in überaus kleinkarierter Weise gleich doppelte Sippenhaft praktiziert hat. Doch bezeichnenderweise wird das in ihrem Amtssitz weder klar bestätigt noch klar dementiert.

„Sag mir, wo die Männer sind...“, so hieß der Kongreß gegen Männergewalt, den Christine Bergmann im September 1992 mit einer engagierten Rede eröffnete. Die von Halina Bendkowski organisierte Tagung setzte damals ein Zeichen, weil sie spannende neue Akzente enthielt. Auch das Referat von Jutta Gysi gehörte dazu, weil sie ein unter Honecker völlig tabuisiertes Thema, das Ausmaß innerfamiliärer Gewalt in der DDR, erforscht hatte. Doch hinter den Kulissen habe die Frauensenatorin das Referat verhindern wollen, obwohl sie Frau Gysi gar nicht kannte, erinnert sich die Kongreßorganisatorin. Weil die ehemalige AL-Abgeordnete aber damit drohte, alles hinzuschmeißen, wenn die einzige Ost-Referentin ausgeladen würde, konnte die Familiensoziologin ihren Vortrag letztlich doch halten.

Im Februar dieses Jahres wurde Frau Bendkowski nun von einer Untergebenen der Frauensenatorin eingeladen, am 6. Mai eine Podiumsdiskussion zum Kriegsende zu leiten. Thema: „Blick auf eine gegenwärtige Vergangenheit“. Diskutantinnen: Ingrid Strobl, Irene Runge, Freya Klier, Inge Deutschkron, Cora Stephan und andere. Diese schriftliche Einladung wurde bis heute nicht widerrufen. Doch nachdem Christine Bergmann davon erfahren hatte, klingelten bei anderen Frauen die Telefone: Ob sie nicht Lust auf eine Moderation hätten? Bergmanns Mitarbeiterinnen aber hatten in ihrer fragwürdigen Dienstfertigkeit die Kommunikationsgeschwindigkeit in Frauenkreisen unterschätzt. Drei von ihnen – Christel Wickert, Susanne zur Nieden und Hilde Schramm – zeigten sich solidarisch mit Frau Bendkowski. Inzwischen fand die Senatorin eine Ersatzmoderatorin.

Halina Bendkowski kann sich diesen Affront nur mit der damaligen „Gysi-Affäre“ erklären: „Das war der einzige Streit.“ Auch andere ehemalige oder immer noch tätige Mitarbeiterinnen der Frauensenatorin wissen keinen anderen Grund zu nennen, zumal der damalige Kongreß hausintern als Erfolg gewertet wird. Auf offiziellem Wege war indes gar nichts zu erfahren. Mit stockender Stimme sprach Christine Bergmanns Büroleiterin von „persönlichen Gründen“, die zum Auswechseln der Moderatorin geführt hätten. Aber es sei nicht Stil des Hauses, „jemanden wegen des Namens Gysi auszuladen“. Vielleicht nicht des Hauses, aber der Senatorin?

„Ist es denn stilvoll, jemanden auszuladen und das nicht mal mitzuteilen?“ fragt die Historikerin Susanne zur Nieden. Auch Hilde Schramm biß bei der Staatssekretärin auf Granit, als sie ein vermittelndes Gespräch zwischen den Beteiligten vorschlug: „Sie teilte mir mit, es werde kein Gespräch geben. Darauf habe ich die Moderation abgesagt.“ Ute Scheub