Für die Pilgerfahrt will Gaddafi diesmal dem Embargo trotzen

■ Libysche Gläubige sollen die Reise nach Mekka per Flugzeug antreten / Probleme mit der Überflugerlaubnis

Kairo (taz) – Letztes Jahr waren es Kamele, dieses Jahr sollen es Flugzeuge sein. Alle Jahre wieder pünktlich zur Hajj-Saison, der muslimischen Pilgerzeit ins saudiarabische Mekka, versucht der libysche Präsident Colonel Muammar Gaddafi durch ein großes Trara auf das Schicksal seines Landes aufmerksam zu machen. Es ist nun fast genau drei Jahre her, daß ein UN-Luftembargo gegen Libyen verhängt wurde, nachdem die Regierung sich geweigert hatte, zwei Männer auszuliefern, die verdächtigt werden, 1988 eine US- amerikanische Pan-Am-Maschine über dem schottischen Lockerbie in die Luft gesprengt zu haben.

Mit großem Rummel hatte Gaddafi letztes Jahr eine Kamelkarawane organisiert, die die libysche Wüste bis nach Kairo durchquerte, um von dort per Flugzeug weiterzupilgern. Dieses Jahr sollen sich bereits über 1.000 Libyer für die Pilgerfahrt per Flugzeug angemeldet haben. Das erste Flugzeug sollte noch gestern in Verletzung des Luftembargos von Tripolis aus starten.

Der Fall führte bereits zu massiven diplomatischen Verwicklungen. Um Mekka zu erreichen, müßten die Pilger ägyptischen oder sudanesischen Luftraum durchqueren. Beide Länder würden im Falle einer Zustimmung gegen das Embargo verstoßen. Besonders Äypten steckt in einem Dilemma. Es wird befürchtet, daß die US-Regierung sein guten Beziehungen mit Libyen zum Anlaß nimmt, um die massive Entwicklungshilfe an Kairo zu kürzen. Innenpolitisch ist es allerdings für Ägypten, wie für jedes andere islamische Land, schwer, die Pilger zurückzuweisen. Die Pilgerschaft gilt als eine der fünf Pflichten im Leben jedes Muslim. „Pilgerschaft oder der Märtyrertod“ antworteten die libyischen Pilger dann auch auf die Frage, ob sie nicht Angst hätten, bei einer Verletzung eines fremden Luftraumes abgeschossen zu werden.

Offiziell hat sich die ägyptische Regierung noch nicht geäußert. Der ägyptische Informationsminister versucht derzeit, in Tripolis einen Kompromiß zu erreichen. Gleichzeitig verhandelt Kairo hinter den Kulissen, um von der US- Regierung grünes Licht für die Pilger zu bekommen.

Bisher hatten sich die USA hart gezeigt. Die zwei flüchtigen Libyer wurden letzten Monat in den USA auf die Liste der zehn meistgesuchten Kriminellen gesetzt. Für sie wurde ein Lösegeld in Höhe von vier Millionen US-Dollar ausgesetzt. Schon seit Monaten versucht die USA, das Embargo zu verschärfen, und die libyschen Ölexporte miteinzubeziehen. Dem stellen sich aber bisher Frankreich, Italien und Deutschland, die Hauptabnehmer des libyschen Öls, entgegen.

Drei Jahre nach dem Embargo haben inzwischen viele Libyer ihre eigene Reiseroute entwickelt. Der südtunesische Flughafen Jerba wurde unlängst vergrößert. Statt ursprünglich 600.000 Fluggäste im Jahr, hauptsächlich europäische Pauschaltouristen, starten von dort nun jährlich eineinhalb Millionen Menschen, meist Libyer. Der Flughafen liegt 150 Kilometer von der libyschen Grenze entfernt. Andere machen sich auf den beschwerlichen Weg und treten eine vierstündige Seereise nach Malta an, um von dort ihre Reise auf dem Luftweg fortzusetzen. Karim El-Gawhary