piwik no script img

Schließer wollen keine Einwegspritzen

Hamburgs Vollzugsbeamte kündigen Widerstand gegen Drogenpolitik des Justizsenators an / Solange sie Drogenkontrollen machen müssen, wollen sie auch keine Spritzenautomaten  ■ Aus Hamburg Sannah Koch

Der Machtkampf hat begonnen: Eine gute Woche ist es her, daß Hamburgs Justizsenator Klaus Hardraht eine Wende in der Drogenpolitik hinter Gefängnismauern ankündigte. Künftig, so stellte der von der StattPartei berufene parteilose Senator klar, sollten in den Knästen der Hansestadt sterile Einwegspritzen an Junkies ausgegeben werden. Immerhin gilt es, das Aidsrisiko auch in Knästen zu minimieren. Doch dagegen machen die Schließer jetzt mobil: Der Landesverband der Strafvollzugsbediensteten kündigte am Wochenende Widerstand gegen Hardrahts Pläne an.

Daß er sich mit seiner liberalen Drogenpolitik auf dünnes Eis begibt, darüber ist sich der Senator seit langem klar. Ebenso klar ist ihm aber auch, daß er die eskalierte Situation in Hamburgs Knästen ohne rigide Eingriffe nicht in den Griff bekommen wird. Das wurde ihm schon wenige Wochen nach seinem Dienstantritt im Dezember 1993 drastisch vorgeführt: Ein Gefangener der Anstalt II in Fuhlsbüttel („Santa Fu“) war besonders brutal von Mithäftlingen ermordet worden. Für die Insassensprecher damals logisches Ergebnis der zugespitzten Situation.

Von den insgesamt 2.900 Hamburger Gefangenen sind mindestens 600 heroinabhängig, nochmal so viele gelten als drogengefährdet. Und der Preis für den Stoff ist hoch: „Du kannst dich prostituieren, jemand anderem die Zelle putzen, klauen oder eben jemandem den Kopf einschlagen“, hatte ein Insasse nach dem Mord die Möglichkeiten zur Geldbeschaffung geschildert.

Schon damals hatte die Gefangenenvertretung die Ausweitung des Methadonprogramms und die Vergabe steriler Spritzen gefordert. Diese Maßnahmen will nun auch der Senator durchkämpfen. Wie er vor zwei Wochen ankündigte, sollen bald weit mehr als die derzeit 88 Häftlinge Methadon bekommen, Therapie- und Beratungsangebote sollen verbessert und Automaten für Einwegspritzen aufgestellt werden. Letzteres ist bislang noch von keinem Bundesland in Angriff genommen worden. „Das wird eine schwierige Operation“, hatte Hardraht eingeräumt. Er hat bereits seine Erfahrungen mit der Blockadepolitik der Vollzugsbediensteten gemacht: Trotz seiner Anweisung verweigerten im vergangenen Jahr Anstaltsärzte die Ausweitung des Methadon-Programms.

Auch gegen seine Pläne zum Spritzentausch wurde schon im Vorfeld intern Kampfstimmung verbreitet. Um dieses „Akzeptanzproblem“ zu lösen, stellte Hardraht 80.000 Mark für Schulungsmaßnahmen bereit. Doch das interessiert die Schließer-Gewerkschaft wenig. „Wir werden bei den Automaten nicht mitmachen“, wischte Wolfhard Ploog, Vorsitzender des Hamburger Landesverbands, gestern alle Debatten vom Tisch. Solange die Bediensteten nicht davon entpflichtet würden, Besucher und Gefangene auf Drogen zu kontrollieren, würden sie auch keine Spritzen ausgeben. Sollten dennoch Automaten aufgestellt werden, so Ploogs Drohung, könnte es sein, daß „sie leider immer leer sein werden“. Bekannt ist allerdings auch, daß die Position der Gewerkschaft nicht unumstritten ist. Gerade in „Santa Fu“ sprach sich ein Viertel des Personals für den Spritzentausch aus.

Überraschende Schützenhilfe bekam Hardraht am Wochenende hingegen von jemandem, der bislang der Hamburger Drogenpolitik äußerst feindlich gesonnen war – von dem Bundesdrogenbeauftragten Eduard Lintner (CSU). In einem Interview, das er dem Spiegel gab, begrüßte Lintner jetzt Hardrahts Pläne. Die Spritzenvergabe, die nach dem Gesetz ausdrücklich nicht als Verschaffen einer Gelegenheit zum Konsum gelte, müsse als Vorbeugung gegen lebensbedrohliche Infektionen im Vollzug höher eingestuft werden als der notwendige Kampf gegen die Droge.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen