Kontroverse um McNamaras Memoiren

■ Vietnam-Beichte reißt Wunden auf

Washington (dpa) – Robert McNamaras selbstkritisches Buch zum Vietnamkrieg ist zwar bereits in der zweiten Auflage. Doch das Echo von Medien und Veteranen auf die letzte Woche veröffentlichten Memoiren des ehemaligen Verteidigungsministers hätte kaum schlimmer ausfallen können.

Verübelt wird McNamara, daß er nach Jahrzehnten des Schweigens heute mit dem Bekenntnis aufwartet, noch während seiner Amtszeit von 1961 bis 1968 den Krieg in Südostasien als katastrophalen Fehler erkannt zu haben. Auf der anderen Seite sehen sich Kritiker des Krieges durch McNamara bestätigt. Als Prominentester fühlt sich Präsident Bill Clinton „gerechtfertigt“, der wegen der damaligen Umgehung seiner Einberufung viel Prügel kassiert hat.

In seinem Buch berichtet McNamara, daß er bereits im Mai 1967 den damaligen Präsidenten Lyndon B. Johnson privat „vor einem großen nationalen Desaster“ gewarnt habe. „Wir irrten uns, irrten uns schrecklich“, schreibt der 78jährige, der in einem letzte Woche ausgestrahlten Fernsehinterview in Tränen ausbrach.

Die Teilnehmer des Krieges finden darin keinen Trost. „Als ich mich im Mai 1967 freiwillig für Vietnam meldete, wäre es sicherlich hilfreich gewesen, wenn er (McNamara) gesagt hätte, der Krieg sei nicht zu gewinnen“, sagte Veteran Max Cleland, der in Vietnam beide Beine verlor. „Herr McNamara darf der dauerhaften moralischen Verurteilung seiner Landsleute nicht entkommen“, befand die New York Times in einem Leitartikel unerbittlich. „Sein Bedauern kann nicht groß genug sein, um in der Bilanz unsere toten Soldaten aufzuwiegen.“

Bill Clinton, der einst als Student in England gegen den Krieg protestierte, wollte die Debatte vorläufig nicht kommentieren. Das Buch habe McNamara sicher viel Mut gekostet, meinte der amerikanische Präsident. Und es zeige auch, daß der Protest gegen den Krieg gute Gründe gehabt habe.

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