Putzen für die Freiheit

Theaterarbeit mit Angehörigen von Randgruppen, ein „Poetencafé“ im Süd-Ost-Kultur-Zentrum und multinationale Uraufführungen – die Arbeit des Vereins Wind-Spiel, vorgestellt von  ■ Elke Eckert

„Arbeit macht frei“, schrieben die Nazis zynisch über ihre Konzentrationslager, und Deutsche werden diese Wortkombination kaum emotionslos hören. Und AusländerInnen, frei von deutscher Geschichtsbewältigung? Wenn Flüchtlinge oder andere EmigrantInnen in die Bundesrepublik kommen und nach vielen Behördengängen endlich eine Arbeitserlaubnis bekommen und dann vielleicht sogar noch Arbeit finden; macht sie das dann nicht frei? Frei von der psychischen Belastung, dem fremden Gaststaat auf der Tasche zu liegen?

„Arbeit macht frei“ heißt eine der acht Szenen aus dem neuen Stück „Vorwärts!“ des Theaters Wind-Spiel. „Vorwärts!“ spielt im Berlin des Jahres 1995, in der Weltstadt, Hauptstadt, die international ist, multikulturell ist, offen ist und tolerant... Acht SchauspielerInnen aus vier verschiedenen Ländern thematisieren in der Groteske, was ihnen tagtäglich widerfährt.

Sie, die Ankömmlinge, müssen ins Labyrinth der Ämter und Stempel; sie brauchen Erlaubnisse, Vervollständigungen, Ergänzungen, Erweiterungen, Einschränkungen, kurz: alles, was das Recht auf Existenz manifestiert. Danach putzen sie, die Theaterprofis, in deutschen Haushalten und fahren Taxi, weil sie als Fremde einen starken oder leichten Akzent haben, wenn sie deutsch sprechen.

Der kroatische Regisseur Nikša Eterović, der seit sechs Jahren freiwillig in Berlin lebt, hat in „Vorwärts!“ verschiedene Texte zusammengestellt, die sich mit dem Fremdsein beschäftigen. Das Stück vereinigt seine fünfeinhalb Jahre Erfahrung mit dem Theater- Verein Wind-Spiel. Eterović gab den szenischen Rahmen, die Dramaturgie und die Themen vor, ließ jedoch den SchauspielerInnen die Möglichkeit zur Improvisation.

Bei der Auswahl der SchauspielerInnen war wichtig, so erzählt Katrin Trostmann, Mitglied des Vorstandes von Wind-Spiel und eine der deutschen SchauspielerInnen, daß die Leute bereit sind, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen. Für manche keine leichte Aufgabe.

So sind zwei der DarstellerInnen aus dem Iran zu Zeiten des Golfkriegs geflohen, ein Schauspieler verließ Chile wegen Pinochet. Ein Schauspieler aus dem ehemaligen Jugoslawien verließ die Gruppe während der Proben, die im November letzten Jahres begannen. Er war zwar fähig, seine eigenen Erfahrungen mit dem Krieg in seiner Heimat aufzuarbeiten, doch die geballten Erfahrungen bei „Vorwärts!“ wurden ihm zuviel.

Projektgelder sind da, reichen aber nicht

„Vorwärts!“ ist nur eins von vielen Projekten des Vereins Wind-Spiel. Er hat sich die – wie es so schön heißt – Förderung des kulturellen Lebens und der Bildungsarbeit zwischen Deutschen und AusländerInnen zum Ziel gesetzt. Im Laufe der letzten Jahre kristallisierten sich drei Schwerpunkte des Vereins heraus. Zum einen arbeitet Eterović mit Randgruppen, deren Leben er auch in den Stücken thematisiert. Eines seiner ersten Projekte war ein Obdachlosenschauspiel in Zusammenarbeit mit dem Sozialamt in Mitte. Er gründete die Berliner Obdachlosen GmbH und KG, und seine StraßendarstellerInnen spielten bereits 1990 im Theater Parochia, noch vor dem Ratten-07-Ensemble der Volksbühne.

Auch die Arbeit mit den ausländischen SchauspielerInnen in „Vorwärts!“ sieht er, etwas zynisch, in dieser Tradition. Zusammen mit dem Süd-Ost-Europa- Kultur-Zentrum initiierte Eterović vor eineinhalb Jahren das „Poetencafé“. In der einmal monatlich stattfindenden Veranstaltung im Süd-Ost-Europa-Zentrum in der Großbeerenstraße werden Gedichte des kroatischen Schriftstellers Augustin Tin Ujević vorgetragen. Im November, zum 40. Todestag von Ujević, wird Wind-Spiel zusammen mit dem Erasmus-Verlag aus Zagreb ein Buch mit den Gedichten Ujevićs in kroatischer und deutscher Sprache herausbringen. Die InitiatorInnen des Poetencafés übersetzten damit auch zum ersten Mal das Werk dieses in Kroatien sehr bedeutenden Autors.

Gleichzeitig mit dem letzten „Poetencafé“ im November werden 40 Bilder von 40 MalerInnen aus aller Welt ausgestellt, die durch die Gedichte Ujevićs inspiriert wurden. Ein drittes Standbein von Wind-Spiel sind Uraufführungen, teilweise von übersetzten Theaterstücken, aber auch von extra für Wind-Spiel geschriebenen Texten.

„Vorwärts!“ wird am 14. Mai in der Werkstatt der Kulturen in der Neuköllner Wissmannstraße Premiere haben. Das Projekt konnte in Zusammenarbeit mit der Werkstatt und der Paul-Löbe-Volkshochschule realisiert werden. Doch dem Ensemble fehlt noch Geld. Nach einem Spendenaufruf beteiligte sich die Stiftung „Umverteilen!“ an den Kosten, aber – das reicht noch nicht.

Die (steuerlich absetzbaren!) Spenden bitte unter dem Stichwort „Vorwärts!“ an Theater Wind- Spiel Berlin e.V. bei der Berliner Volksbank, BLZ 10090000, Konto-Nummer 0002073463.