Wie wäre es mit den Tätern?

■ betr.: „Abschied von Buchen wald“, – „Nur mit den Augen kön nen sie reden“, – „So viele Helden kann es gar nicht geben“, taz vom 10. 4. 95

Ich finde ja prima, daß die taz Buchenwald zum Thema nimmt, gerade anläßlich des 50. Jahrestages der Selbstbefreiung. Nur leider dazu kein Wort. Statt dessen wird die Mär der Geschichtsrevisionisten aufrechterhalten, die US-Armee habe das Lager befreit. Sicher, ohne die heranrückende US-Armee hätte es die internationale Militärorganisation aus berechtigten Gründen nicht gewagt, ihren Befreiungsschlag gegen die SS zu machen. Zu stark war die SS und ihre Bewaffnung, zu geschwächt die Häftlinge. Aber offensichtlich nicht zu schwach, um noch 127 SS- Männer gefangenzunehmen und sie Tage später an die US-Armee auszuliefern.

Unausgewogen im übrigen auch die Darstellungen des Ernst Federn über die Rolle des illegalen Lagerkomitees in Buchenwald. Weshalb kein Wort von dem jüdischen Häftling und stellvertretenden Vorsitzenden des internationalen Lagerkomitees, Carlebach. Er beschrieb detailliert, wie sich das Lagerkomitee und darin insbesondere die kommunistischen Mithäftlinge verhalten haben. Sie bauten eine Organisation auf, die es schaffte, passiven und aktiven Widerstand zu leisten. Sie schaffte es, daß alleine 3.000 jüdische Häftlinge vor dem Todesmarsch versteckt wurden, sie waren maßgeblich daran beteiligt, daß über 20.000 Häftlinge das Lager Buchenwald überlebten. Das sind Fakten.

Daß hier ein weiteres Mal der antifaschistische Widerstand mit den Tätern vermengt wird, ist skandalös und auch nicht durch das (aus heutiger Sicht) mögliche Fehlverhalten des ILK gerechtfertigt. Auch Ministerpräsident Vogel bekam dies in Buchenwald zu spüren, als er den Versuch unternahm, den Widerstand zu zerreden. Er wurde gnadenlos von Hunderten von Kundgebungsteilnehmern bei seiner Ansprache unterbrochen. Ich halte es eher mit der Losung, die auf einem Transparent stand: Opfer sind keine Täter! Es gibt aber weiterhin echte Nazi- und SS- Täter, die unbehelligt leben und, wie Carlebach auf der Kundgebung sagte, auch noch hohe Entschädigungssummen erhalten. Wie wäre es mit diesen Tätern? Bernhard Ostermeier,

Wenzenbach