■ Rheinland-Pfalz soll für Mülheim-Kärlich zahlen
: Gut gekungelt, RWE!

Bei seinen anhaltenden Bemühungen, das nicht gerade finanzkraftstrotzende Rheinland-Pfalz in den Konkurs zu treiben, ist der Essener Energiekonzern RWE gestern einen guten Schritt vorangekommen. Sollte der BGH das Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz bestätigen, könnte das die Landesregierung in Mainz die Kleinigkeit von dreieinhalb Milliarden Mark kosten. RWE-Aktien zogen an der Börse gestern kräftig an, trotz Dollarkrise. Es ist ja inzwischen Sitte geworden, daß die Betreiber von Atomanlagen sich bei nuklearkritischen Landesregierungen per Schadenersatzklage für deren „ausstiegsorientierten Gesetzesvollzug“ revanchieren. Joschka Fischer hat das, als er noch von Wiesbaden aus gegen die Siemens-Plutoniumschmiede in Hanau stritt, mit der Bemerkung kommentiert, dann müßte künftig wohl der Finanzminister entscheiden, wie sicher Atomanlagen im Lande noch sein dürfen.

Die Scheinheiligkeit des RWE im Fall Mülheim- Kärlich jedoch stellt alles bisher Dagewesene in den Schatten. Denn erstens hat nicht die Landesregierung aus dem Meiler 1988 eine milliardenschwere Atomruine gemacht, sondern das Bundesverwaltungsgericht auf Betreiben eines Anwohners. Zweitens hat die seinerzeit in Mainz amtierende CDU/FDP-Regierung ebendies vor Gericht und Arm in Arm mit den Vertretern des RWE zu verhindern gesucht. Vor allem aber haben die RWE-Oberen vor zwanzig Jahren selbst angezettelt, was sie jetzt vor Gericht bejammern. Nur ungern lassen sie sich daran erinnern. Muß aber sein: Die 1988 vom Bundesverwaltungsgericht kassierte Genehmigung war Mitte der 70er Jahre das Resultat einer ausgemachten Kungelei zwischen den Antragstellern aus Essen und den Regierenden in Mainz. Beide hatten – noch rechtzeitig – festgestellt, daß sie ihr Kraftwerk nach den genehmigten Planungen just auf einer Erdbebenspalte plaziert hatten. Also verschoben sie es, bauten an anderm Ort, in einer modifizierten Konstruktion – und schwiegen darüber gegenüber jedermann, um sich ein neues Genehmigungsverfahren zu ersparen. Das Kraftwerk, das schließlich hochgezogen wurde, war also ein anderes als das genehmigte. Die Gelackmeierten waren die Anwohner, die das tatsächlich gebaute Kraftwerk nicht vor Gericht überprüfen lassen durften. Dafür sollen sie nun, als Steuerzahler, zur Kasse gebeten werden. Ein schöner Erfolg des Rechtsstaats.

Vielleicht kann Kurt Beck, der Mainzer SPD-Ministerpräsident, in Bonn den Kanzler um eine milde Spende angehen. Der saß in Mainz auf dem Chefsessel, als die Mülheim-Kärlich-Kiste ausgeheckt wurde. Gerd Rosenkranz