Unter Druck der Pharmakonzerne

■ Argentinien und Brasilien sollen ihre neuen Patentgesetze verschärfen

Rio de Janeiro – Im vergangenen Monat hat der argentinische Kongreß erstmals den Schutz geistigen Eigentums beschlossen. Seither steht die Regierung von Carlos Menem unter Druck. Am Dienstag legte der Staatspräsident ein Veto gegen das geplante Gesetz ein. Im Nachbarland Brasilien harrt ein im Mai 1993 im Parlament abgesegnetes Patentgesetz seit zwei Jahren der Abstimmung im Senat. Brasiliens Präsident, so wird im brasilianischen Außenministerium befürchtet, könnte in die „unangenehme Lage“ geraten, mit leeren Händen vor Bill Clinton zu stehen, den er in dieser Woche zum erstenmal besucht.

Es geht nicht um den Geist, sondern um das Geld der Pharmakonzerne. Bis jetzt erkennt Argentinien überhaupt keine Patente in den Bereichen Pharmazie, Chemie und Lebensmittelproduktion an. Auch brasilianische Forscher können ihre Erfindungen nur im Ausland anmelden. Die 1949 beschlossene Maßnahme zur Förderung der heimischen Industrie führte zum massiven Kopieren von Medikamenten, nicht jedoch zu Investitionen im Bereich der Forschung.

„Das Gesetz, das der argentinische Kongreß zum Schutz des geistigen Eigentums verabschiedet hat, ist eine Tragödie. Es entspricht eher dem Niveau von Ländern wie Burundi oder Surinam“, beschwerte sich der US-Botschafter in Argentinien, James Cheek. Der undiplomatische Tonfall veranlaßte den argentinischen Kongreß, den Diplomaten zur „Persona non grata“ zu erklären. Die Parlamentarier meinen es ernst: Der Senat will mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit jede Änderung des beschlossenen Patentrechts blockieren. Das jedenfalls versichert Senatsmitglied Eduardo Menem, Bruder des Präsidenten.

Nach dem neuen Recht müßten argentinische Firmen erst ab 2003 Lizenzgebühren für Produkte bezahlen, die anderswo schon einmal erfunden worden sind. Und wie Brasilien erkennt das neue argentinische Gesetz nur völlige Neuentwicklungen an. Außerhalb Argentiniens gemachte Erfindungen werden nur geschützt, wenn sie aus einem der drei anderen Länder des gemeinsamen Wirtschaftsraumes „Mercosur“ stammen, also Brasilien, Paraguay und Uruguay.

Der Physiker Ennio Candotti, Vorsitzender der brasilianischen Gesellschaft für Wissenschaft und Forschung (SBPC), hält den massiven Druck aus den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union zugunsten der internationalen Pharmaindustrie für unangemessen. „Es handelt sich um einen Sturm im Wasserglas. Die internationalen Konzerne haben ohnehin bereits achtzig Prozent des brasilianischen Pharmamarktes in der Hand“, stellt er klar. „Wir wollen kein Patentrecht, um den USA zu schmeicheln“, erklärte Brasiliens Außenminister Luiz Felipe Lampreia gegenüber der Zeitung Jornal do Brasil. Es gehe darum, die brasilianischen Erfinder zu schützen. Für die brasilianische Arbeiterpartei PT sind die von der Pharmalobby geforderten Verschärfungen schlicht ein Mittel, die ungerechte Weltwirtschaftsordnung aufrechtzuerhalten. „Japan hat sein Leben lang Patente kopiert und erst 1976 ein entsprechendes Gesetz verabschiedet“, erklärt PT- Sprecher Jose Carlos Peliano. Er weist darauf hin, daß sowohl der brasilianische als auch der argentinische Gesetzentwurf den Richtlinien der Welthandelsorganisation WTO entspricht. Danach ist eine Übergangsphase von zehn Jahren zum Schutz der heimischen Industrie erlaubt.

Ginge es nach Brasiliens Präsident Fernando Henrique Cardoso, verfügte das Land schon seit geraumer Zeit über eine Patentgesetzgebung im Sinn der internationalen Konzerne. Noch als Senator hatte Cardoso vor zwei Jahren seine Kollegen aufgefordert, „endlich die nationale Nabelschau zu beenden“ und wie die Industrieländer das geistige Eigentum zu schützen. Er muß nun Bill Clinton erklären, warum seine ehemaligen Senatskollegen sich noch nicht zu diesem Entschluß durchringen konnten. Sowohl Cardoso als auch Menem fürchten, daß die USA die Zölle für die Produkte ihrer südamerikanischen Handelspartner anheben. Astrid Prange