Mit dem Taschenrechner kalkuliert

■ Sparen - koste es, was es wolle: Brandenburg will die Arbeitszeit von GrundschullehrerInnen kappen, um Jobs zu retten / Vor allem Frauen sind von der stärksten Kürzung im öffentlichen Dienst betroffen

Berlin (taz) –Brandenburgs LehrerInnen waren schon immer für Experimente gut. Gezwungenermaßen. Im Jahre 1991 verkürzte die damalige Bildungsministerin Marianne Birthler (Bündnis 90) Arbeitszeit und Einkommen der LehrerInnen pauschal auf 80 Prozent, um Jobs zu retten. Jetzt steht den GrundschullehrerInnen ein neues Abkommen ins Haus: ihre Arbeitszeit soll auf 60 Prozent verringert werden. Diese Arbeitszeitverkürzung, die bis dato massivste im öffentlichen Dienst, bewahrt Tausende von KollegInnen vor der Entlassung.

Das Abkommen ist bereits vom Brandenburger Bildungsministerium und den Lehrerverbänden paraphiert und soll nach Abstimmung in den Verbänden und im Potsdamer Kabinett am 23. Mai unterzeichnet werden. „Es ist das Beste, was wir unter den gegebenen Bedingungen herausholen konnten“, sagt Erich Wangerin, stellvertretender Landesvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Brandenburg. Doch die Bedingungen sind schlecht für GrundschullehrerInnen in Brandenburg.

Nur noch 13.000 Kinder werden hier jährlich geboren. Vor der Wende strömten noch jedes Jahr 35.000 Erstklässler in die Brandenburger Grundschulen. Vom Schuljahr 1997/98 an werden nur noch 13.000 Kinder jährlich eingeschult. Zu wenig Nachwuchs für die 10.500 GrundschullehrerInnen, von denen nach Berechnungen des Bildungsministeriums im Jahre 2003/2004 eigentlich mehr als die Hälfte überflüssig wären. Wenn, ja wenn nicht alle auf ein bißchen Arbeitszeit und Einkommen verzichteten.

„Wer sich auf das Modell einläßt, genießt absoluten Kündigungsschutz“, versichert Wangerin. Laut Abkommen sollen die GrundschullehrerInnen bis Anfang des Jahres 1996 entscheiden können, ob sie einem Änderungsvertrag zustimmen. Dieser sichert ihnen einerseits einen Kündigungsschutz zu, andererseits kann aber auch die Arbeitszeit und das Einkommen der PädagogInnen dann vom Schuljahr 1997/98 an bis auf 60 Prozent verringert werden. In den Grundschulen arbeiten vor allem Frauen.

Wer keine 15 Dienstjahre unterrichtet hat, bleibt von diesem Änderungsvertrag ausgeschlossen. „Wir haben aber eine Präambel festgelegt, nach der auch für die übrigen alles getan werden soll, um bedarfsbedingte Kündigungen auszuschließen“, so Wangerin. In der Praxis könnte dann beispielsweise bei einer 30jährigen Lehrerin ohne Änderungsvertrag die Arbeitszeit sogar um mehr als 50 Prozent gesenkt werden, um sie vor dem Rausschmiß zu bewahren. Die Einkommensverluste seien bei einer Arbeitszeitverkürzung auf 60 Prozent für die meisten Betroffenen zu verschmerzen, behauptet Wangerin.

„Die Lehrerinnen haben netto dann etwa das gleiche wie vorher“, sagt Andreas Volbracht, Referatsleiter für Dienstrecht im Brandenburger Bildungsministerium. Eine 41jährige verheiratete Grundschullehrerin behält nominal ihre 2.500 Mark netto im Monat. Die Lebenshaltungskosten dürften in den kommenden Jahren aber gerade im Osten kräftig steigen, unterm Strich bliebe weniger. „Wer alleine eine Familie versorgt, den trifft es“, meint Volbracht. Die GrundschullehrerInnen in Brandenburg sind derzeit auf etwa 88 Prozent des vollen Arbeitszeit- und Einkommensvolumens tätig.

Nur mit Taschenrechner und LehrerInnen-Umverteilung läßt sich allerdings für die Bildungspolitiker das Problem des Schülerrückgangs nicht lösen. „Auf dem Lande müssen wir ein paar kleinere Schulen erhalten“, so Volbracht. „Den Kindern kann man nicht ewige Fahrtzeiten zumuten.“ Die anderen neuen Bundesländer hätten dasselbe Problem, sagt Wangerin von der GEW. „Wir sind aber die Ersten, die das Problem des Schülerrückgangs schriftlich fixieren.“

Bei den Ost-Kitas ist der Notstand durch den Geburtenrückgang schon jetzt sichtbar: Bereits Tausende von Erzieherinnen arbeiten hier mit verminderter Arbeitszeit. Barbara Dribbusch