Reizobjekt Neue Wache

■ Das Berliner Bündnis 8. Mai hat gegen Kundgebungsverbot an der Neuen Wache vor Gericht Klage eingereicht

Das „Berliner Bündnis 8. Mai“, ein Zusammenschluß von rund 200 Gruppen, hat jetzt vor dem Berliner Verwaltungsgericht Klage eingereicht. Per Gerichtsbeschluß soll die für den 7. Mai geplante und vom polizeilichen Staatsschutz verbotene Kundgebung vor der Neuen Wache Unter den Linden durchgesetzt werden. Das bestätigte gestern der Landesgeschäftsführer der Bündnisgrünen, Norbert Schellberg.

Der für den 7. Mai geplante Gedenkgang durch das ehemalige jüdische Viertel sollte an der umstrittenen nationalen Gedenkstätte Neue Wache mit einer Kundgebung enden. Das Verbot der Kundgebung und die Belegung des Gedenkmarsches mit erheblichen Auflagen sorgten innerhalb des Bündnisses für helle Empörung. Dies sei keine politische Entscheidung, sondern die Einschätzung der Polizei aus Sicherheitsgründen, war aus dem Hause von Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) zu vernehmen. Was die Sicherheit angeht, hat der Staatsschutz offenbar die größten Bedenken. Er hat die Kundgebung mit der Begründung verboten, die Gedenkstätte sei im linksextremistischen Spektrum ein „Reizobjekt“. Daher befürchte man bei der Abschlußkundgebung Störfälle: Demonstranten könnten die Neue Wache schänden. Dadurch werde „das Ansehen der deutschen Hauptstadt beschmutzt“.

Es sei eine unverschämte Unterstellung, empörte sich Norbert Schellberg, die Teilnehmer des Gedenkmarsches, der als ein Zeichen an das Ende des Krieges und des nationalsozialistischen Regimes vor 50 Jahren erinnern soll, in die linksextremistische Ecke zu stellen und zu unterstellen, eine kritische Haltung gegenüber dieser nationalen Gedenkstätte provoziere Gewalt. Aus heiterem Himmel sei das Verbot auf den Tisch geflattert. Wochenlang habe man mit der Polizei die Route des Gedenkmarsches und die Modalitäten bei der Kundgebung erörtert.

Auch anderen Gruppierungen, die an der Organisation des Gedenkmarsches beteiligt sind, verschlägt es regelrecht die Sprache. Das Verbot einer Kundgebung zum 50. Jahrestag des Kriegsendes vor der Neuen Wache sei ein ungeheuerlicher Affront gegen die Opfer des Nationalsozialimus, empörte sich die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN- BdA). Damit werde die „scheinheilige Position“ der Bundesregierung bei der Umgestaltung der Neuen Wache zur Zentralen Gedenkstätte der Bundesrepublik entlarvt, erklärte der Sprecher der Vereinigung, Karl Forster. Die Neue Wache sei damit nicht eine Gedenkstätte für „alle Opfer“.

Der Berliner Landesverband von Bündnis 90/Die Grünen warnte vor einer „internationalen Blamage“ für den Berliner Senat. Es zeuge von großer Instinktlosigkeit, wenn eine Kundgebung verboten werde, die sich dafür einsetze, daß von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehe. Michaela Eck

siehe Kommentar Seite 21