■ Das unendliche Referendum
: Wer abstimmen darf

266.000 Quadratkilometer Erde stehen zur Abstimmung: ein Gebiet etwa von der Größe der alten Bundesrepublik Deutschland, aber zu einhundert Prozent Wüste und reich an Bodenschätzen.

Als nächster Termin für das 1990 vom UN-Sicherheitsrat beschlossene Referendum über die Zukunft der Westsahara gilt derzeit der kommende Oktober. Seit August 1994 versuchen UN- MitarbeiterInnen, Abstimmungsberechtigte zu identifizieren. Derzeit sind zwölf Teams von Blauhelmsoldaten (Minurso) im Einsatz, jeweils sechs in den marokkanisch und den von der Polisario kontrollierten Gebieten.

Ursprünglich sollten nur jene rund 74.000 im Jahr 1974 von den spanischen Kolonialherren in einem Zensus erfaßten Sahraouis zu den Urnen gehen. Marokko setzte jedoch eine Erweiterung der Liste der Abstimmungsberechtigten durch. Die UNO legte fünf Kriterien für Abstimmungsberechtigte fest. Votieren darf, wer mindestens 18 Jahre alt ist und entweder:

– von den Spaniern erfaßt wurde

– oder damals als Mitglied eines sahraouischen Stammes in der Region lebte, aber nicht erfaßt wurde,

– oder Vater, Mutter oder Kind einer Person ist, die eines der ersten beiden Kriterien erfüllt

– oder wessen sahraouischer Vater in dem Gebiet geboren wurde

– oder wer als Angehöriger eines sahraouischen Stammes bis Ende 1974 entweder sechs Jahre am Stück oder zwölf Jahre mit Unterbrechungen in der Region gelebt hat.

Da über die letzten vier Kriterien kaum Dokumente vorliegen, werden sahraouische Notabeln zu Rate gezogen. Scheichs, die unter den Spaniern als Vertreter der sahraouischen Stämme wirkten, sollen den Registrierungsoffizieren der Minurso bei der Entscheidung helfen.

Im Jahr 1994 war der US- Amerikaner Frank Ruddy in der Westsahara neben dem Briten Erik Jensen die Nummer zwei der Minurso. Wieder heimgekehrt, erstattete er am 25. Januar einem Unterausschuß des Repräsentantenhauses des US- Kongresses Bericht.

Schuld für das „Schneckentempo“, in dem die Vorbereitungen für das Referendum verliefen, sei „mafioses Verhalten“ der marokkanischen Seite. „Nur von den Marokkanern ausgewählte Einheimische dürfen die Identifizierungszentren der Minurso betreten.

Die Polizei hindert alle anderen daran“, schrieb Ruddy. In Laayoune seien Sahraouis nach der Identifizierung als Abstimmungsberechtigte von marokkanischen Fahrzeugen abgeholt und „gezwungen worden, ihre (UN-)Bestätigungen vor dem Verlassen der Lastkraftwagen abzugeben. Dies ermöglicht zweifelsfrei falschen Wählern, Bestätigungen gegen Wahlscheine einzutauschen.“ taud