Als die Uniformen blau wurden

■ Wie Bremens Bereitschaftspolizei ihre eigene Geschichte um das Kriegsende vor 50 Jahren herum sieht / Eine Ausstellung im Staatsarchiv

Die Stunde Null der Bremer Polizei dauerte gerade mal zwei Tage. Schon am 29. April 1945, 48 Stunden nach der Besetzung Bremens durch die Britische Armee, war ein Großteil der über 1.000 Mann starken Schutzpolizei wieder im Dienst. Im Auftrag der britischen Militärregierung hatte sie über die Einhaltung der Ausgangssperre zu wachen und sollte gegen Diebstähle und den aufblühenden Schwarzmarkt vorgehen. Zu richten hatten sie sich dabei zunächst nach den gleichen Gesetzen, die auch während der 12jährigen Nazi-Diktatur galten. Sogar im Mai 1945 wurden noch nach dem Kriegsrecht der Nazis von deutschen Militärgerichten Urteile gesprochen.

Über die Rolle der Polizei um das Kriegsende vor 50 Jahren herum informiert seit gestern eine von der Bremer Bereitschaftspolizei zusammengestellte Ausstellung im Staatsarchiv. Darin ist auch nachzulesen, warum sich die Polizei der Nazizeit zunächst weitgehend bruchlos in die Nachkriegszeit hinüberretten konnte: „Grundsätzlich konnte man sich bei der Entnazifizierung für zwei Wege entscheiden“, heißt es dort, „entweder man entfernte alle Nazis konsequent aus der Verwaltung und nahm Organisationsprobleme in Kauf, oder man stellt den reibungslosen Ablauf der Verwaltung in den Vordergrund und nahm in Kauf, daß Mitläufer und Minderbelastete in ihrem Amt blieben. Wilhelm Kaisen, seit dem 1.4.1945 Präsident des Senats, sprach sich neben Vertretern des Bürgertums für die zweite Variante aus.“

Auch die seit dem 8. Mai 1945 amtierende amerikanische Besatzungsregierung Bremens muß das ähnlich gesehen haben. Denn schon am 30. Mai 1945 konnten die zunächst entwaffneten deutschen Polizisten wieder in voller Montur auf Streife gehen. 653 italienische Gewehre mit 13.704 Schuß Munition waren ihr ausgehändigt worden. Außerdem bekamen die Polizisten auch ihre gewohnten Gummiknüppel zurück. Zunächst wurden die deutschen Polizisten noch ständig von skeptischer amerikanischer Militärpolizei begleitet, aber schon bald fungierte die nur noch als Fahrer und verließ sich weitgehend auf das Funktionieren des eingespielten deutschen Polizeiapparates.

Über den Umfang der anschließend begonnenen Entnazifizierung nennt die Ausstellung sehr unterschiedliche Zahlen. Einerseits wird der Bremer Polizeichef Franz Noch mit dem Satz von 1949 zitiert: „Als Ergebnis dieser Überprüfung mußten auf Anordnung der Militärregierung insgesamt etwa 80 Prozent der bei der Polizei vorhandenen Beamten entlassen werden.“ Andererseits heißt es an anderer Stelle: „Insgesamt wurden in Bremen 19 Hauptschuldige und 172 Belastete festgestellt“, von denen auch noch viele in Berufung gegangen seien, um damit ihre Herabstufung im Beamtenstatus statt der Entlassung zu erreichen.

„Wieviele Entlassungen es tatsächlich gegeben hat, und vor allem, wieviele der zunächst Entlassenen später wieder eingestellt worden sind, konnten wir nicht klären“, sagt Frank Seeliger, Koordinator des Ausstellungsprojekts bei der Bereitschaftspolizei. Weder hätten sich Statistiken darüber gefunden, noch sei es ihm möglich gewesen, die damaligen Personalakten einzusehen.

Auch wenn die Ausstellung manche wesentliche Frage nicht beantwortet, bietet sie doch einen interessanten Einblick in die Entwicklung des Selbstverständnisses der Bremer Polizei in den letzten 50 Jahren. Und obwohl die Ausstellung bis auf ein paar historisch uniformierte Kleiderpuppen nur aus sehr viel Text mit einigen Fotos besteht, findet sich darin doch auch manche Kuriosität. So zum Beispiel eine Anordnung aus den ersten Besatzungstagen, als Ausdruck des Umbruchs die gewohnten grünen Uniformen der Reichspolizei so schnell wie möglich blau umzufärben. Ein Auftrag, der nur schwer zu erfüllen war, wurden dafür doch mitten in der zerbombten Stadt auf einen Schlag 25 Tonnen Nußkohle benötigt. Ase

Die Ausstellung ist bis zum 17. Mai dienstags und mittwochs von 9-16, donnerstags von 9-20, freitags von 9-15 und samstags von 10-13 Uhr im Staatsarchiv zu sehen. Der Text liegt dort als kostenlose 70seitige Broschüre aus.