Ich war der Caddie von Mister Dunn

■ Wer den kleinen weißen Ball vor sich hertreibt, läßt sich meist auch noch die Golftasche samt vielen überflüssigen Schlägern tragen / Ein Erlebnisbericht aus den 70er Jahren

„Ein Caddie für Mister Dunn!“ rief Hartmann, unser Caddie-Master, und war sofort von der Meute meiner Golfplatz-Kumpels umringt. Denn Mister Dunn, der Ami, war total beliebt. Erstens rückte er immer Zigaretten raus, zweitens wußte er einen guten Rat zu schätzen. Obendrein gab er auch noch fürstliche Trinkgelder.

„Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“, sagte Hartmann, der unter uns Caddies für Disziplin sorgte. Von Disziplin verstand er was. Der damals 65jährige war früher bei der Waffen-SS und unheimlich stolz drauf. Gewöhnlich schleppte er eine Walther PPK und einen Totschläger mit Teleskopfeder aus SA-Beständen mit sich herum, den er bei jedem Furz, der ihm quersaß, aus der Tasche zog.

An dem Tag lief ich mit Mister Dunn. Mein Job war es, den Golfwagen zu ziehen. Doch nicht nur das. Als Caddie muß man wissen, wo man beim Abschlag seines Spielers zu stehen hat, welches Eisen er in welcher Situation benötigt und wo der abgeschlagene Ball hingeflogen ist. Ein Caddie muß die Fahne beim Einputten (Einlochen) aus dem Loch ziehen, und das, ohne rumzuhampeln oder die sensiblen Spieler nervös zu machen.

Für einen Durchgang auf dem Neun-Loch-Golfplatz bekamen wir 12 Mark. Das war damals, in den 70er Jahren, eine ganz passable Entlohnung. Denn wenn man nicht gerade mit einer dieser nach Chanel duftenden, megärenhaften Großmütter mit Adelstitel über den Platz zockelte, konnte man die neun Loch schon mal in einer Stunde schaffen.

Meistens hingen wir Caddies schon morgens um sieben oder acht Uhr auf dem Golfplatz rum, erzählten schweinische Witze oder genossen die Nazi-Schübe von Hartmann, der gelegentlich mit mordlüstern gefletschten Zähnen und einem eigenartigen Blick seine Walther aus dem Halfter zog und eine Serie Löcher in die klare Frühlingsluft über dem Golfplatz ballerte. – Die ersten Spieler kamen meist gegen Mittag. Aber wir waren immer schon früher da, um ganz sicher einen Auftrag zu kriegen. Im Umgang mit den Spielern hatten wir uns alle einen geschmeidigen Schnellmerker-Stil angewöhnt. Der gute Service gipfelte darin, daß man dem Spieler den richtigen Schläger in die Hand gab, bevor er selbst wußte, was für ein Eisen er benutzen wollte. Oder daß man sich sein meist mieses Handicap merkte.

Dennoch gingen wir nie soweit, die Spieler derart zu umschleimen wie Hartmann, der vor lauter Arschkriechen im Gesicht schon wie gescheitelt aussah, obwohl er nur die Wägelchen verwaltete. Dennoch mußte man als guter Caddie die kleinen Eitelkeiten, Macken und Gewohnheiten der Kunden kennen, und ein „Oh, Frau von Sowieso haben heute morgen wieder so einen frischen Teint“ war immer gut für ein Trinkgeld.

Besonders verhaßt waren bei uns Golfwagenziehern die Patienten, die den sportlichen Anspruch hatten, kein Wägelchen zu besitzen, sich aber ihre Golftasche voller überflüssiger Schläger von einem Caddie schleppen ließen. Die Geizkragen unter den Spielern.

Mit Schrecken erinnere ich mich noch an jenen alten Zausel, den wir alle Onkel Dagobert nannten. Dieser notorische Trinkgeldverweiger war derart geizig, daß in seiner Brieftasche noch die ersten Pfennige aus der Zeit der Währungsreform rosteten.

Der Alte hatte einen Sack Schläger geerbt und war wahrscheinlich zu knauserig, sie ungenutzt stehen zu lassen oder zu verschenken. Schlappe Caddies säumten seine 36-Loch-Exzesse. Der Alte hatte nämlich die lausige Angewohnheit, gleich vier Runden am Stück zu absolvieren. Da war die Arbeit der Caddies die einzige wirklich sportliche Betätigung auf dem ganzen Golfplatz. Peter Lerch