Honoratioren-Kartell

■ Weil FU-Präsident Gerlach als profillos und wenig entscheidungsfreudig gilt, wird er demnächst wiedergewählt

Routiniert dreht er den Tabak zwischen Zeigefinger und Daumen in das Papier ein. Ein kurzer fachmännischer Blick, dann der letzte Schliff durch das Anfeuchten der Perforierung. Zufrieden blickt er auf sein Werk. Die Teilnehmer der Pressekonferenz schauen verwundert und anerkennend. Das ist gut fürs Image.

Johann W. Gerlach ist sein Name, und er ist wohl der letzte Präsident einer Massenuniversität mit einem Drum-Päckchen in der Tasche. Seit vier Jahren führt der jungdynamische und als „linksliberal“ bezeichnete Mittfünfziger die Geschäfte der Freien Universität. Seine Amtszeit läuft im Juni ab – in der Uni ist der Kampf um die Nachfolge entbrannt.

Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, Johann W. will weitere vier Jahre der König Dahlems bleiben. Um das zu erreichen, muß Gerlach mehr drehen können als seine Glimmstengel, denn einfach nur gewählt wird der Uni-Chef nicht. Und so kungeln die universitären Politik-Gruppen derzeit, was das Zeug hält. Gleichzeitig mit den Präsidentschaftswahlen werden auch die vier Vizepräsidenten neu gekürt, und der eine oder andere Referentenposten wird dabei gleich mit ausgehandelt.

Für die wichtigste Uni-Wahl gibt es ein eigenes Gremium. Im sechzigköpfigen Konzil sitzen Profs, wissenschaftliche Mitarbeiter, Uni-Angestellte und Studis zusammen. Letztere haben dabei lasche zehn Stimmen. Da ist Phantasie und Verhandlungstaktik gefragt, will man den Wahlausgang beeinflussen. Aber im Konzil wird deutlicher als anderswo: Auch an der Uni wird Parteipolitik gemacht. Und deshalb kandidiert nicht ein Prof gegen einen Studi, sondern ein Konservativer gegen einen „Linksliberalen“. Der Konservative, das könnte der erste Vizepräsident Klaus Dietz sein – der „Linksliberale“, das ist Gerlach.

Die Stimmenverteilung im Konzil gibt den „Linken“ unter Führung des professoralen „Dienstags-Kreises“, in dem Gerlach Mitglied ist, die Mehrheit in die Hand. Voraussetzung: Ein Teil der Studis muß mitstimmen. Aber die studentischen Vertreter sind mit der Kandidatenauswahl des Dienstags- Kreises nicht zufrieden. Sie halten Gerlach für „profillos und entscheidungsunfreudig“, werfen ihm einen Mangel an Konzepten und einen selbstherrlichen Führungsstil vor. Die schwierige Situation seit Mauerfall habe er eher schlecht als recht gemeistert. Nicht nur von Studis kommt Kritik. Der Politologie-Professor Peter Grottian meint: „Gerlach schwebt alleine unter der Zirkuskuppel.“

Und so wird gekungelt. Dreimal trafen sich die Wortführer der Gruppen, darunter auch Studierende, in einer konspirativen „Kleinen Runde“. Koalitionsmöglichkeiten wurden ausgelotet, Forderungen aufgestellt. Und ebenfalls dreimal traf sich das linke Spektrum in der „Großen Runde“ bei den Altertumswissenschaftlern in der Bitterstraße. Das Ergebnis ist für die Studis ernüchternd. Unmißverständlich machten die Profs ihnen klar, daß sie eher einen konservativen Präsidenten akzeptieren als die Forderungen der Studierenden erfüllen würden. Nach einem ungeschriebenen Gesetz hätten die Linken dann immer noch Anspruch auf den Vizepräsidenten-Stuhl.

„Das ist die Logik eines abgewrackten Honoratioren-Kartells“, meint dazu Jochen Geppert vom Allgemeinen Studierendenausschuß (AStA). Harald Steinhausen von der Hochschulgruppe der Jusos sekundiert: „Das alte Ordinarien-Gebaren scheint immer noch durch.“ Dabei verlangten die Studierenden von den Profs gar nicht mehr so viel. Einen ernsthaften Gegenkandidaten zu Gerlach können sie nicht präsentieren. Aber einer der vier Vizepräsidentenstühle soll mit einer Person aus dem wissenschaftlichen Mittelbau besetzt werden, eine Sache, die an TU und HU schon längst zur Normalität geworden ist.

Derweil geizt Gerlach nicht mit Wahlgeschenken. Die „Pflichtberatung“ von Langzeitstudierenden wurde an der FU eben erst erheblich abgemildert. Auch die Auseinandersetzung um die Juristen-Ausbildung an der Humboldt-Uni zeigt: Gerlach will sich auf Kosten der Ost-Uni profilieren.

Und so sieht alles danach aus, als ob Gerlach weiter seine Dinger im Präsidialamt der FU drehen wird. Christoph Dowe