Klitzekleines rot-grünes Reförmchen

■ Die geplante Schulreform in Sachsen-Anhalt stockt / Die Koalitionspartner können sich nicht auf einen Termin für die Einführung der Förderstufe einigen / Hoch im Kurs stehen "Übergangslösungen"

Magdeburg (taz) – Im Koalitionsvertrag der rot-grünen Minderheitsregierung von Magdeburg stand es zu lesen: Die Schuljahrgänge fünf und sechs werden an die Sekundarschule, in Ausnahmefällen an die Grundschule angegliedert. Damit sollten auch in Sachsen-Anhalt alle SchülerInnen bis zur einschließlich sechsten Klasse gemeinsam unterrichtet werden. Erst wenn die Kinder etwa zwölf Jahre alt sind, sollten sie mit ihren Eltern entscheiden, ob sie künftig den Weg zum Abitur einschlagen oder die Realschule besuchen.

Dieser gemeinsame Unterricht bis zum Ende des sechsten Schuljahres ist nicht nur in Sachsen-Anhalt das Kernstück rot-grüner Bildungspolitik. Bereits Anfang der 70er Jahre hatten sich mehrere SPD-regierte Länder von der klassischen Schullaufbahn mit vier Jahren Grundschule und einem anschließenden dreigliedrigen Schulsystem verabschiedet.

Die Landesregierung in Sachsen-Anhalt wollte sich nun mit einer Schulreform der Praxis in fast allen anderen Bundesländern angleichen. Doch aus der geplanten Reform droht inzwischen nur noch ein kleines Reförmchen zu werden. Die Einführung des gemeinsamen Unterrichts für alle Schüler bis zur sechsten Klasse wollte SPD- Kultusminister Karl-Heinz Reck noch vor wenigen Tagen am liebsten bis ins Jahr 2000 verschieben. Und rief mit solchen Überlegungen nicht nur Proteste beim bündnisgrünen Koalitionspartner hervor.

Die Schulreform war seit der Regierungsbildung eines der zentralen Reformvorhaben der Minderheitsregierung von Ministerpräsident Reinhard Höppner. Aber sein dafür zuständiger Kultusminister Reck überließ von Anfang an der oppositionellen CDU die politische Debatte über das geplante Reformwerk. Und die CDU nutzte diese Chance und übernahm sofort die Lufthoheit über den Stammtischen. Als Reck nach mehr als einem halben Jahr endlich den Entwurf eines Gesetzentwurfes vorstellte, hatten die Christdemokraten längst die Reihen des Widerstands formiert. Mit der Einführung einer Förderstufe, egal wo sie angebunden ist, sei zwangsweise ein 13. Schuljahr an Gymnasien verbunden. Das zog in Sachsen-Anhalt, wo die Pennäler schon nach zwölfjähriger Schulzeit das Abi absolvieren.

Höppner und Reck baten in dieser Woche noch einmal alle Beteiligten an den Runden Tisch. „Am Ende der Diskussion gab es weder eine gemeinsame Linie noch einen tragfähigen Kompromiß“, bedauert Höppner. Allerdings halte seine Regierung an ihren Reformplänen fest. „Diskutiert wird nicht mehr über das Ob, sondern nur noch über das Wie.“ Vor allem aber wohl über das Wann. Weder Höppner noch Reck wollen sich auf einen Termin für die Einführung der Förderstufe festlegen lassen. Derweil denkt man über Übergangslösungen nach. Denkbar wäre zum Beispiel eine Angleichung der Lehrpläne für die Klassen fünf und sechs an Gymnasien und Sekundarschulen. Gerade die Grundüberlegung von Rot-Grün, daß längeres gemeinsames Lernen von Schülern mit unterschiedlicher sozialer Herkunft, unterschiedlichen Fähigkeiten und Kenntnissen auch das soziale Lernen fördert, blieb dabei auch bei gleichen Lehrplänen in unterschiedlichen Schulformen noch geraume Zeit auf der Strecke. Eberhard Löblich