■ Vor einer neuen Runde im bosnischen Krieg
: Die Sieggewohnten werden nervös

Wenn jetzt sogar der UNO-Chefunterhändler und die Mitglieder der Kontaktgruppe in das Visier von Radovan Karadžić geraten sind und Schwierigkeiten haben, nach Sarajevo zu reisen, dann offenbart dies, wie blank die Nerven der bosnisch-serbischen Nationalisten liegen. Unter militärischen wie politischen Gesichtspunkten sehen sich Karadžić und die Seinen einer immer schlechter werdenden Lage gegenüber.

Seit der bosnische Serbengeneral Mladić eine Niederlage nach der anderen einstecken muß, ist zudem der Ruf der „Unbesiegbarkeit“ der serbischen Streitkräfte im eigenen Lager angekratzt. Es ist den Truppen Mladić' eben nicht gelungen, Bihać zu überrollen. In den letzten Wochen mußten sie sogar strategisch wichtige Bergmassive in Zentralbosnien räumen. Mit dem Vormarsch der kroatischen HVO von der Herzegowina aus auf das serbisch besetzte Gebiet um Knin hin sind die Krajina-Serben in die Zange genommen. Und zudem scheint das serbische Kalkül, die Kroaten könnten ihre Koalition mit den Bosniaken zum zweiten Mal verraten, nicht mehr aufzugehen. Trotz

des Waffenembargos verfügen die Bosniaken jetzt ebenfalls über Artillerie und gewinnen – zahlen-

mäßig überlegen – an vielen Fronten langsam die Oberhand.

Mit dem erzwungenen Rücktritt des Befehlshabers der russischen UNO-Truppen in Kroatien ist zudem dem wichtigsten bosnisch-serbischen politischen Bündnispartner Rußland eine peinliche Niederlage zugefügt worden. Die nun erwiesene offene militärische Unterstützung der Krajina-Serben durch die russischen UNO-Truppen hat auch Frankreich und Großbritannien etwas auf Distanz gebracht. Und daß damit innerhalb der UNO und der Kontaktgruppe die Forderung ermöglicht wurde, endlich die bosnisch- serbische Grenze wirksam abzuschotten, hat nicht nur Karadžić, sondern auch Milošević aufgeschreckt.

Daß die beiden serbischen Politiker diese Forderung nicht erfüllen werden, dürfte sicher sein. Würde nämlich die bisher geleistete massive Unterstützung durch Serbien ausbleiben, stünde die bosnisch-serbische Armee auf verlorenem Posten. Die bosnische Führung und die bosnische Armee haben andererseits keinen Zweifel daran aufkommen lassen, daß sie mit dem Ablauf des Waffenstillstandes Ende April mit der Befreiung Sarajevos und der anderen Enklaven beginnen müssen. Einen vierten Hungerwinter darf es nicht mehr geben. Allein die Bereitschaft Karadžić', den Plan der Bosnien-Kontaktgruppe doch noch zu unterschreiben, könnte eine größere militärische Auseinandersetzung abwenden. Indem Karadžić jetzt sogar den „verläßlich neutralen“ Akashi beleidigt, zeigt er in der Tat, daß er die Enge spürt, in die er endlich getrieben wird. Erich Rathfelder