Wiener Polizei leuchtet Autonome aus

Nach dem versuchten Anschlag auf einen Strommast werden die Komplizen der beiden getöteten Attentäter gesucht / Interpol eingeschaltet / Rätselraten über das Motiv  ■ Aus Wien Michael Völker

Nach dem versuchten Sprengstoffanschlag auf einen Strommast bei Wien konzentriert die Polizei ihre Ermittlungen jetzt auf den Bekanntenkreis von Gregor Thaler und Peter Konicek. Die beiden Autonomen waren bei der vorzeitigen Detonation einer der fünf Sprengladungen ums Leben gekommen. Nach der Identifizierung der Leichen präsentierte die Wiener Staatspolizei umgehend ihre Akten aus einer Kartei für Linksextremisten. Die Ermittlungsbeamten gehen davon aus, daß sich auch der oder die Komplizen der Getöteten in der Kartei befinden. Da sich diese bereits ins Ausland abgesetzt haben könnten und Thaler und Konicek sich zuletzt häufig in Barcelona aufhielten, wurde Interpol eingeschaltet. Gefahndet wurde auch nach Gregor Thalers 20jähriger Freundin, vorläufig ohne Erfolg.

Den Komplizen wird vorgeworfen, den Wagen Koniceks gefahren zu haben, mit dem der Sprengstoff vermutlich an den Tatort gebracht wurde. Das Auto wurde in Wien- Favoriten, nur wenige Straßenzüge vom Ernst-Kirchweger-Haus entfernt gefunden. Dieses Haus gilt als letztes Refugium der Wiener Autonomen. Thaler war dort gemeldet. Aufgehalten hatte er sich in dem KPÖ-Haus, das 1990 besetzt worden war, nur selten, da er sich seit mehreren Jahren dem Militärdienst entzogen und sich dort vor dem Zugriff der Polizei nicht sicher gefühlt hatte.

Der 30jährige Thaler war in der links-autonomen Szene ein Faktotum. Der gelernte Mechaniker war vor neun Jahren von Innsbruck, wo er bei Hausbesetzungen und Straßenschlachten der Polizei bereits aufgefallen war, nach Wien übergesiedelt. Auch hier engagierte er sich in der Szene. Nach der gewaltsamen Räumung der beiden besetzten Häuser in der Spalowskygasse und der Aegidigasse, wo er gewohnt hatte, war er Obmann des Vereins „Aegidi/Spalo – Verein für Gegenkultur“. Nachdem die Gemeinde Wien ihr Versprechen, den obdachlos gewordenen Hausbesetzern ein Ausweichquartier zur Verfügung zu stellen, nicht gehalten hatte, wurde 1990 ein Haus der KPÖ besetzt und nach Ernst Kirchweger, einem in den sechziger Jahren bei einer Demonstration erschlagenen Antifaschisten, benannt. Thaler engagierte sich dort ebenso wie in den Organisationskomitees für die Demonstrationen gegen den Opernball. 1992 wurde er wegen eines Steinwurfs auf das Büro von Turkish Airlines zu einer mehrmonatigen Haftstrafe verurteilt.

Der 33jährige Peter Konicek war zwar wegen seiner Teilnahme an etlichen Demonstrationen ebenfalls bei der Staatspolizei registriert, fiel in der Szene aber kaum auf. Der dreifache Familienvater war jedoch ein guter Freund von Thaler. Im Gegensatz zu diesem, dessen Jobs und Wohnorte sich nur schwer nachverfolgen lassen, hatte Konicek immer einen festen Arbeitsplatz. Zuletzt arbeitete er als Schweißer bei einer Firma für Industrieanlagen.

Über das Motiv für den Anschlag gibt es bislang nur krause Spekulationen. Im Innenministerium werden nun auch Parallelen zu früheren Sprengstoffanschlägen überprüft. Dabei geht es um den Anschlag von 1989 auf die Flughafenautobahn in Wien, der dem damals ankommenden Präsidenten der Weltbank, Barber Conable, gegolten haben dürfte, und der Sprengung der Gleise der Westbahn in Tirol im Jahre 1991. Damals sollte vermutlich der Transport US-amerikanischer Bergpanzer per Bahn durch Österreich sabotiert werden.

In der autonomen Szene herrscht nun Aufruhr. Die wenigsten hatten damit gerechnet, daß in Zeiten rechter Anschläge einer der ihren plötzlich versucht, Strommasten zu sprengen. Außerdem ermittelt die Polizei jetzt in der Szene. Ob sie bereits eine konkrete Spur verfolgt, ist nicht bekannt. Ein erster Festgenommener mußte wieder auf freien Fuß gesetzt werden, etliche Hausdurchsuchungen am Wochenende verliefen ergebnislos.

Für den neuen Innenminister Caspar Einem ist der Fall ein Dilemma. Er war vor zwei Wochen angetreten, um gegen das rechtsextreme Lager vorzugehen und ist nun plötzlich mit einem Anschlag aus der totgeglaubten linken Szene konfrontiert. Gregor Thaler dürfte er übrigens persönlich gekannt haben. Er hatte früher als Referent der Arbeiterkammer für Kommunalpolitik den Verein Aegidi/ Spalo in einem „Prominentenkomitee“ unterstützt.