Ungarischer Protest

■ Interview mit Pal Farkas, Vizechef der ungarischen Christdemokraten in der SR

Mehrere Tausend Angehörige der ungarischen Minderheit der Slowakei haben am Samstag in Komarno gegen die „Liquidation des muttersprachlichen Unterrichts“ demonstriert: Die Schulpolitik der Regierung von Vladimir Mečiar verstieße gegen die Bestimmungen des Anfang März unterzeichneten slowakisch-ungarischen Grundlagenvertrags.

taz: Herr Farkas, was werfen die Ungarn in der Slowakei der Regierung konkret vor?

Pal Farkas: Der Grundlagenvertrag enthält die Empfehlung 1.201 des Europarats. Sie sichert Minderheiten kollektive Rechte zu. Die slowakische Regierung erklärte jedoch in einer Note an die ungarische Regierung, daß sie nur bereit ist, individuelle Rechte anzuerkennen. Man hat also den Vertrag unterschrieben, ihn aber im gleichen Augenblick schon wieder für ungültig erklärt. Konkret heißt das: Es gibt zwar ungarische Schulen, aber bisher entscheidet nicht die ungarische Minderheit, sondern das Schulministerium – das von einem Mitglied der slowakischen Nationalpartei geleitet wird –, was dort unterrichtet wird. Außerdem geht es um das „alternative Schulsystem“. Dieses sieht vor, daß neben rein ungarischsprachigen Schulen solche Schulen eingerichtet werden, an denen nur die ungarische Sprache auf ungarisch unterrichtet wird. Dadurch wird sich die Zahl der rein ungarischen Einrichtungen vermindern. Wenn Mečiar schon für Zweisprachigkeit an Schulen ist: Warum führt er diese dann nicht an den slowakischen Schulen ein?

Elf Prozent der Einwohner der Slowakei sind Ungarn, und im Vertrag geht es vor allem um diese Ungarn. Doch Mečiar hat uns an den Verhandlungen nicht beteiligt. Allein Ungarns Premier Horn interessierte sich für unsere Meinung.

Warum hat Meciar den Vertrag dann überhaupt unterschrieben?

Die Einigung war wichtig für den von dem französischen Premier Balladur inszenierten „Stabilitätspakt“. Auf beide Seiten wurde von der EU ziemlich Druck ausgeübt.

Was erhofft sich die ungarische Minderheit von dem Vertrag?

Positiv ist, daß internationale Menschenrechtsdokumente jetzt Bestandteil des Rechtssystems der Slowakei sind. Dabei ist die Europaratsempfehlung 1.201 für uns der wichtigste Teil. Doch diese Empfehlung wird nicht nur von Mečiar, sondern auch von vielen Oppositionspolitikern abgelehnt.

Im Parlament bilden Sie mit zwei anderen ungarischen Parteien eine Koalition. Ein Koalitionsmitglied hat angekündigt, auf Grundlage der Empfehlung 1.201 die regionale Selbstverwaltung für die Ungarn zu fordern.

Natürlich könnten wir morgen unsere Autonomie erklären. Doch was ist mit der Umsetzung? Woher sollen wir das Geld für dieses „autonome Gebiet“ nehmen? Sollen wir etwa Steuern erheben? Für all dies gibt es im Rechtssystem der Slowakei keine Grundlage. Durch solche Forderungen machen wir uns in der Slowakei nicht gerade beliebter. Interview: Sabine Herre