Geprüfte Gene auf dem Teller

In der Schweiz müssen alle gentechnisch hergestellten Lebensmittel genehmigt werden / Beim Käse hat Deklarationspflicht Löcher  ■ Aus Basel Pieter Poldervaart

Am 1. Juli ist es soweit: Auf Druck von Konsumenten- und Umweltverbänden führt die Schweiz eine Bewilligungspflicht für Gentech-Lebensmittel ein. Wie das Zulassungsprozedere im Detail aussieht, soll in einer Zusatzverordnung geregelt werden. Die Arbeiten dazu laufen, bestätigt Hans Schwab, Chef der Abteilung Lebensmittelwissenschaft im Bundesamt für Gesundheitswesen (BAG). Schon festgeschrieben ist aber, daß in jedem Fall die Bundesämter für Landwirtschaft, für Umwelt, Wald und Landschaft sowie für Veterinärwesen Stellung nehmen müssen.

Zugelassene Lebensmittel, Zusatzstoffe und Verarbeitungshilfsstoffe, die selbst gentechnisch veränderte Organismen sind oder daraus gewonnen wurden, müssen als „GVO-Erzeugnis“ gekennzeichnet werden. Damit hat die Schweiz eine Gesetzesgrundlage geschaffen, die abgesehen von Österreich, wo seit Anfang 1995 eine noch schärfere Kennzeichnungspflicht gilt, weltweit einmalig ist.

Nicht von der Bewilligungs-, aber von der Deklarationspflicht ausgenommen bleiben in der Schweiz aber „Erzeugnisse, die vom Organismus abgetrennt und vom Erbmaterial gereinigt wurden.“ Darunter fallen nicht nur Zucker und Zitronensäure als chemisch definierbare Stoffe, erleutert Schwab. Auch Enzyme oder Käselab könnten damit gemeint sein, wenn sie keine Rest-DNA des gentechnisch veränderten Organismus mehr enthalten. Käse, der mit dem heute schon in der Schweiz zugelassenen, aber offenbar nicht verwendeten gentechnisch hergestellten Labersatzstoff Chymosin hergestellt wird, müßte also nicht als „GVO-Erzeugnis“ ausgewiesen werden. Die Umwelt- und Konsumentenverbände protestieren dagegen. Sie wollen, daß die Verbraucher auch dann informiert werden, wenn irgendwo im Herstellungsprozeß gentechnische Verfahren angewandt wurden.

Aber nicht nur die Reichweite, auch die Art der Deklaration ist umstritten. „Der interessierte Konsument wird schnell merken, was das Kürzel ,GVO-Erzeugnis‘ meint“, glaubt Schwab. Kritikerinnen und Kritiker fordern hingegen eine eindeutige Formulierung. „Der Begriff GVO-Erzeugnis ist für Konsumentinnen und Konsumenten nicht ohne weiteres verständlich“, gibt auch Maja Amrein, Medienreferentin beim Migros- Genossenschafts-Bund (MGB), zu bedenken. Der Großverteiler wird deshalb bei Gentech-Lebensmitteln die Zusatzzeile „gentechnologisch hergestellt“ anbringen. Neben ganzen Produkten will die Migros auch wesentliche Zutaten, etwa gentechnisch hergestellte Enzyme, deklarieren, wie sie es mit dem Waschmittel „Minil flüssig“ bereits freiwillig praktiziert.

Möglich ist, daß die Deklarationsfrage in ein paar Jahren sowieso zur Makulatur wird. Voraussichtlich 1997 kommt in der Schweiz die Gen-Schutz-Initiative zur Abstimmung. Sie fordert unter anderem ein Freisetzungsverbot für gentechnisch veränderte Lebewesen – und damit sollen nicht nur Pflanzen wie genveränderte Tomaten, sondern beispielsweise auch Bäckerhefe gemeint sein. Während bei einem Erfolg der Volksabstimmung genmanipulierte Organismen ganz verboten würden, dürften Gentech-Enzyme und andere Zusatzstoffe nur unter restriktiven Bedingungen weiter auf den Markt gebracht werden. Daniel Ammann, Geschäftsführer der federführenden Schweizerischen Arbeitsgruppe Gentechnologie: „Insbesondere müßte bewiesen werden, daß das neue Produkt tatsächlich notwendig ist und es keine Alternative einer gentechnikfreien Produktionsweise gibt.“