Acht Millionen gläserne Bürger

Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Wirtschaftsauskunftei / Sie soll mit illegalen Methoden die persönlichen Daten von Millionen Bundesbürgern beschafft haben  ■ Von Doro Winden und Severin Weiland

Berlin (taz) – Eine Berliner Wirtschaftsauskunftei soll mit teilweise illegalen Methoden jahrelang sensible Daten über die Finanzkraft von etwa acht Millionen BundesbürgerInnen beschafft haben. Nach einem Bericht des Magazins Focus gaben sich die Mitarbeiter der D.A.V.I.T. GmbH am Telefon gegenüber Banken, Polizeidienststellen, Arbeitsämtern oder der Post als Kollegen aus anderen Behörden aus. Unter falschem Namen erkundigten sie sich nach Kreditwürdigkeit, Kontoständen, Eintragungen ins Polizeiregister oder eventuellen Krankheiten der Auszuforschenden.

Die Berliner Staatanwaltschaft ermittelt gegen vierzig Personen wegen des Verdachts auf Verstoß gegen den Datenschutz, Betrug und Amtsanmaßung. Bei einer Durchsuchung von neun Büros der Firma beschlagnahmten zwei Staatsanwälte und neunzig Polizisten zahlreiche Aktenordner und Disketten.

Zu den Auftraggebern gehörten laut Focus rund 400 Kunden, unter anderem Versandhäuser, Versicherungen und Mobilfunkanbieter. Sie sind darauf angewiesen, daß die Kunden die bestellte Ware oder Dienstleistung auch tatsächlich bezahlen. Oft genug bleiben sie auf unbezahlten Rechnungen sitzen. Handy-Anbieter mußten im vergangenen Jahr 90 Millionen Mark in den Wind schreiben, die Versandhäuser verbuchten Zahlungsausfälle von insgesamt 360 Millionen Mark.

Der Geschäftsführer eines Elektronikversands kritisierte, daß die Daten der Schufa „vorn und hinten nicht reichen.“ Das Bedürfnis, sich gegen Zahlungsverluste stärker abzusichern, ist groß. 90.000 Anfragen gingen monatlich bei der Berliner Wirtschaftsdetektei ein. Neben den telefonischen Nachforschungen konnte diese auf aufgekaufte Schuldnerverzeichnisse und Daten mehrerer Inkasso- Institute zurückgreifen.

Alle Beschuldigten, auch die drei D.A.V.I.T.-Geschäftsführer im Alter von 23, 29 und 30 Jahren, sind noch auf freiem Fuß.

Als Konsequenz aus dem Datenschutzskandal fordert der stellvertretende Berliner Datenschutzbeauftragte, Alexander Dix, die baldige Anpassung des bundesdeutschen Datenschutzgesetzes an das europäische Recht. Ein seit längerem vorliegender Richtlinienentwurf des Europäischen Parlaments und des Rates leiste in wesentlichen Teilen des privaten Bereichs einen weitaus größeren Schutz vor einem Datenmißbrauch als die Bundesregelung. Der Zugang zu Daten werde für die Privatwirtschaft derzeit durch unverständliche Ausnahmeregelungen erleichtert.