„Verluderung des Rundfunks“?

■ Privatfunker haben Angst vor dem Jugendradio des NDR

Der norddeutsche Radiokrieg um Marktanteile und HörerInnenreichweiten geht weiter. Der Münsteraner Medienwissenschaftler Prof. Klaus Merten veröffentlichte gestern seine Studie zur Analyse von Programminhalten von sechs privaten und zwei öffentlich-rechtlichen Hörfunksendern im Norden. Das Jugendradio des Norddeutschen Rundfunks, N-Joy, würde, so sein Vorwurf, die „Verluderung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ und den „Qualitätsverfall durch Entwortung“ vorantreiben.

In seiner Auftragsarbeit für die Privatradios OK, ffn, rsh, rhh und Antenne kommt Merten zum Ergebnis, daß N-Joy mit einem Musikanteil von 85,3 Prozent die privaten Dudelfunker übertrumpfe und beim Wortanteil mit lediglich 14,8 Prozent noch unterbiete. Damit würden, so Merten, „systematisch Mindeststandards unterlaufen“, die von privaten Hörfunksendern gefordert würden. Die Folge sei eine Wettbewerbsverzerrung, „die das duale Rundfunksystem in eine Schieflage bringt“, so ffn-Geschäftsführer Wolfgang Müller.

Seit dem Start von N-Joy im April 1994 geht den sechs norddeutschen Privatradios die Muffe. Zwar sendet N-Joy keine Werbung und ist damit kein direkter Konkurrent um Reklamegelder, indirekt – im Kampf um Marktanteile – aber schon. Denn daraus berechnen sich die Preise für die Werbesekunde. Und wenn diese sogenannten HörerInnenreichweiten sinken, fallen automatisch die Preise für die Werbesekunden und damit die Einnahmen der Privatsender.

Konkrete Zahlen über die Verschiebung der Marktanteile soll es aber erst Anfang Juni geben, wenn die neue Ausgabe des unabhängigen Kompendiums Media-Analysen auf dem Tisch liegt. Frank Otto, Chef von OK-Radio und ärgster Feind von N-Joy, ist sich aufgrund eigener Erhebungen aber schon jetzt sicher: „N-Joy-Radio hat uns 'ne ganze Menge Hörer weggenommen.“ Er will den Kampf aufnehmen und „die Musikkompetenz bei den HörerInnen zurückgewinnen“. Erster Schritt dahin sei das „Zurückfahren der Wortbeiträge“, sagte er der taz. Denn nach Mertens Analyse quatschen seine ModeratorInnen mehr als alle anderen.

Deshalb gibt es jetzt die Anweisung, „sich kurz zu fassen“. Sicherheitshalber hat er bereits der Festschreibung eines bestimmten Wortanteils im OK-Programm widersprochen, den die Hamburgische Anstalt für neue Medien (HAM) bei der Lizenzverlängerung festgeschrieben hat. Aber so weit wie N-Joy wolle er mit der „Entwortung der Sendungen“ nicht gehen. mg