Wie zu Russenzeiten

■ Aussteller auf der "Made von hier"-Verkaufsmesse klagen über hohe Standmiete und fehlendes Vertrauen in Ostprodukte / Veranstalter setzt auf Spreewald-Gurken-Nostalgie

Der Bundeskanzler hatte ihn versprochen, den Aufschwung Ost. Als er sich partout nicht einstellen wollte, hat Helmut Kohl kurzerhand die Schuhmacher gebeten, die Absätze vorne anzunageln. Damit die Ostdeutschen endlich spüren, daß es aufwärts geht. Dieser Witz stammt aus einem Kohl-Witze-Buch, das „Der kleine Buchladen“ auf der „Made von hier“-Ausstellung auf dem Schloßplatz feilbietet.

Das Antiquariat versucht seit Samstag, auf der Verkaufs- und Kontaktmesse die Werbetrommel für Ostprodukte zu rühren. Doch der Klang verhallt angesichts der wenigen Aussteller, die sich in dem großen Zelt vor dem Palast der Republik verlieren. Unter dem Motto „Ostdeutsche Marken im Aufwind“ soll Produzenten aus den neuen Ländern die Möglichkeit gegeben werden, ihre Produkte vorzustellen, so Michael Polster, Geschäftsführer der Veranstaltungsagentur „medienfabrik“. Doch statt der erwarteten mindestens 70 Aussteller sind nur 40 gekommen.

Monika Siegmeier vom Groß- und Fachhandel für Porzellan, Glas und Keramik mit Sitz in Berlin führt das auf die zu teure Standmiete zurück. Während sie auf großen Messen in den alten Bundesländern weniger als 200 Mark pro Quadratmeter für eine ganze Woche zahle, müssen die Aussteller auf dem Schloßplatz 55 Mark für den Quadratmeter pro Tag hinlegen. „Und das unter der Schirmherrschaft der ehemaligen Treuhand“, schimpft sie. „So kann man Ostfirmen auch totmachen.“

Seit zwei Jahren versucht Klaus von Dohnanyi, Sonderbeauftragter für den Bereich „Markt und Staat“ der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben, „Barrieren bei der Nachfrage von Ostprodukten im Westen abzubauen“, so sein Mitarbeiter Oliver Lorenz. Wegen des fehlenden „aggressiven Marketingverhaltens“ nehme man die Unternehmen an die Hand und versuche, Anbieter und Verkäufer zusammenzubringen. „Der Veranstalter setzt auf die Sehnsucht nach Ostprodukten“, so Lorenz. Er bezweifelt, ob damit die Krise der ostdeutschen Anbieter gelöst werden kann. Die Nachfrage nach den Spreewälder Gurken und dem Wurzener Gebäck auf dem Schloßplatz bestätigt zumindest die Strategie des Veranstalters.

Lorenz ist aber überzeugt, daß es den noch bis Sonntag auf dem Schloßplatz vertretenen Ausstellern „relativ gut“ gehe. Aber auch nur relativ. Uta Malt von der Papierverarbeitung Görlitz GmbH, dem ehemaligen Alleinhersteller von Filterprodukten in der DDR, ist zwar froh, daß man den Ostmarkt „zurückerobert“ habe. Doch bei dem Versuch, im Westen Fuß zu fassen, träfe man auf „massiven Widerstand“. Unter „fadenscheinigen Gründen“ und mit „unfairem Geschäftsgebaren“ würden sich Westkaufhäuser weigern, die Ostfilter in ihr Angebot aufzunehmen. Man sei zwar jetzt in der Allkauf-Kette drin, dürfe aber nur Filter für Ostgeräte verkaufen, obwohl in Görlitz auch jede Menge Filter für Westgeräte herstellt werden.

Ähnlich geht es der Neuen Altenburger Wollspinnerei, die ihren schwerpunktmäßigen Vertrieb nach wie vor in Ostdeutschland hat. Die Produkte seien zwar in Westkaufhäusern zu finden, so Vertriebsleiter Gustav van der Linde, doch nicht unter dem Markennamen „alwo“. So war es auch schon lange vor dem Mauerfall, als die Wollspinnerei in großer Menge für den BRD-Export produzierte. Nur wußte keiner, daß es „alwo“- Wolle war. Derzeit konzentriere man sich auf den Markenwaren- Export nach Skandinavien, Litauen, Österreich, in die Niederlande und die Schweiz.

Fehlendes Vertrauen in die Qualität von Ostprodukten beklagt auch Ioan Blahm von der Spezialgeräte Leuchtenbau GmbH in Eberswalde. Obwohl man von Schiffsarmaturen auf die Herstellung von Alt-Berliner Standlaternen umgestellt habe, sei es schwer, als „No-name-Firma“ im Westen Kunden zu finden. Auch fehlende Marketingmittel und wenig Personal erschwerten die Situation. Die ehemals knapp 700 Mitarbeiter sind auf 24 zusammengeschrumpft. Derzeit gebe es zwar Versuche, mit Westberliner Bezirken in Kontakt zu treten, so Blahm. „Aber es ist wie zu Russenzeiten“, klagt der Ingenieur über die aufwendige Bürokratie. „Wenn wir keine Vertriebspartner im Westen finden, müssen wir uns eben auf Brandenburg beschränken“, sagt er. Barbara Bollwahn