■ Straßenumbennungen
: Haases Kulturkrampf

Wer meint, das Umbenennungsfieber scheine den Verkehrssenator Haase zeitweise zu packen wie ansonsten nur die Quartalssäufer der Wunsch nach hochprozentigen Getränken, macht es sich zu leicht. Man kann zwar Haase multiple Unfähigkeit attestieren, doch aus dem Grundkurs Politik weiß er zumindest eines: Hauptsache, man macht Getöse, was dabei herauskommt, ist nicht so wichtig. Obwohl bereits im letzten Jahr mit seinen Umbenennungen gescheitert, zieht er erneut die alten Pläne hervor. Zwar weiß auch Haase, daß wegen der anstehenden Abgeordnetenhauswahlen ein Straßenname erst zum Jahresende geändert werden darf, doch für den Wahlkampf eignet sich das Thema vortrefflich.

Die neue Runde im antikommunistischen Kulturkampf macht noch einmal klar, auf welcher Seite der Mauer die Sieger der Geschichte leben. Gerade dies, so sorgt sich die CDU-Nomenklatura, gerate im Westteil der Stadt zunehmend in Vergessenheit und sorge für Verdrossenheit unter den CDU-Wählern. Deswegen bedarf es eines Fanals. Die CDU-Strategen ficht kaum an, daß man im Ostteil damit keine Stimmen machen kann. Dort wählen eh nur noch die Hardcore-Demokraten die CDU. Viel wichtiger ist, daß derlei kultureller Barrikadenkampf der PDS in Ostberlin noch einige Prozente auf Kosten der SPD verschafft und damit ein politischer Wechsel in der Stadt unwahrscheinlicher gemacht wird.

Ohne Zweifel war in den letzten Jahren die Tilgung stalinistischer Gruselgestalten geboten – auch Dimitroff war eine Stalin willfährige Person –, doch bei vielen der über 80 Umbenennungen wurde eher einem reaktionären Preußentum gehuldigt als verdienstvolle Demokraten gewürdigt. Anderenfalls dürften sich im Westteil nicht unbehelligt NS-belastete Politiker, kaiserliche Kriegstreiber und koloniale Ausbeuter auf den Schildern tummeln. Eberhard Diepgen wird den Ostberlinern und dem Koalitionspartner SPD kaum erklären können, wie das Kreuzzugsgehabe seines Straßenwärters Haase, beispielsweise gegen Clara Zetkin, zu seiner Politik paßt. Der Regierende Bürgermeister redet so gern von der Versöhnung der beiden Stadthälften. Gerd Nowakowski