Klamauk Von Detlef Kuhlbrodt

Auf dem Weg nach Eisenhüttenstadt überquert man seltsame kleine Flüsse. Die heißen Roter Nil oder Schwarze Elster. Im Autoradio läuft „Ich will Spaß“ von Markus. „Das wollen wir auch“, ruft die blöde Moderatorin.

In der ehemaligen sozialistischen Musterstadt gibt es eher wenig zu lachen. Die Arbeitslosenrate ist hoch. Im „Hähncheneck“ an der Magistrale hängen Männer depressiven Gedanken nach. Mit viel Enthusiasmus versucht das Amateurkabarett die „Blitzrichter“ auf der Bühne des Friedrich- Wolf-Theaters, der Tristesse etwas entgegenzusetzen. EKO-Arbeiter und ein paar Lehrer spielen hier sichtlich begeistert gegen den Alltagsfrust. Thematisiert wird das Übliche: die Schattenseiten der Warenwelt, Konflikte, wie der um das EKO-Stahlwerk, Rathausaffären. Zuweilen witzeln die Amateurkabarettisten auch einfach nur herum. Das ist klasse und gefällt. Die Theaterleiterin Rosi Ramm allerdings legt nach der Vorstellung viel Wert darauf, sich von „billigen“ Albereien abzugrenzen: „Klamauk machen wir natürlich nicht. Was wir sagen wollen ist, daß der Normalverbraucher einfach abschalten und lachen will. Das ist einfach Spaß. Viele sagen Klamauk. Das ist auch verständlich für den Normalen, aber es darf kein Klamauk sein, denn dann ist es schlimm. Wenn man das jetzt künstlerisch einordnen sollte, ist Klamauk ja richtig nur blöd lachen. Ohne viel Verstand, und dagegen verwahren wir uns eigentlich immer. Aber klamauken – ein bißchen Spaß muß sein. Das ist so 'ne ganz feine Nuance.“

Schlimm sei vor allem, findet der Deutschlehrer Horst, daß solch billiger Klamauk im Fernsehen vorherrschen würde. Und am schlimmsten seien die US-Comedyserien, mit ihrem eingeblendeten Gekicher: „Das gab es Gott sei Dank im Osten nicht. Da mußte jeder selber lachen. wenn's was zu lachen gab.“ Der freundliche Lehrer hat die „böse“ Befürchtung, daß man „mit dem primitiven Klamauk und dem Vorlachen dem ganzen Humor in Gesamtdeutschland“ schade. Ganz so seriös, wie sie sich geben, scheinen die „Blitzrichter“ trotzdem nicht zu sein. Einer Frau, der eine Weile zu Hause die Decke auf den Kopf gefallen war, geht besonders gern zu den Proben, „weil die alle immer herumaffen. Das baut einen doch ganz schön auf, würde ich sagen.“

Die fidele Englischlehrerin, freut sich vor allem auch an den lustigen Namen, mit denen sie auf der Bühne herumulkt: „Ursula – den Namen mag ich nicht so. Am besten ist immer Uschi. Oder Frau Rosenlecker-Schmatzenbacher, Frida Schlomüller, Ilse Gürtelschnalle. Am Telefon sag ich auch gern mal: ,Hier ist Frau Ilse Gürtelschnalle oder Frau Rosenlecker- Schmatzenbacher. Den Namen find ich so schön.‘“

Es ist spät geworden in Eisenhüttenstadt. Ein EKO-Arbeiter verabschiedet sich zur Nachtschicht. Seine KollegInnen rufen „Gut Blech“. An der Garderobe stehen ein paar veralberte Teenager und lachen sich halbtot, als ich vorbeikomme. „Wir lachen am meisten über Leute“, kichern sie. „Also wir können einfach nur lachen. Wir sind fröhliche Menschen.“ Zwischen zwei Lachsalven versuchen sie, mir den Witz von der Raupe, die auf'm Baum sitzt und dann kommt 'ne Katze, zu erzählen. Doch: „Wie war nun der Schluß?“ (Gelächter)