„Taktisches Spiel der Unionsparteien“

■ Kerstin Müller, Bonner Sprecherin von Bündnis 90/ Die Grünen, ist in ihrer Fraktion für den Plutonium-Untersuchungsausschuß zuständig. Sie warnt die SPD vor einem Rückzug

taz: Was erwartet Ihre Fraktion von einem Untersuchungsausschuß?

Müller: Wir wollen zum einen erreichen, daß die Verstrickung von Bundes- und auch von Landesbehörden in den Plutoniumschmuggel vom vergangenen August lückenlos offengelegt wird. Kanzleramtsminister Schmidbauer und die anderen Verantwortlichen haben bisher ja alle Vorwürfe zurückgewiesen. Es ist schon ein gewaltiger Unterschied, ob da ein Handel mit Plutonium aufgedeckt oder überhaupt erst von den deutschen Behörden organisiert wurde. Zweitens möchten wir aufklären, ob es diesen behaupteten Plutoniummarkt überhaupt gibt. Ob es ihn gibt, ob ihn der BND mit Schmidbauers Wissen produziert hat, dieser Punkt liegt immer noch im dunkeln. Ihn aufzuklären ist aber wichtig: Experten halten es sogar für gefährlich, die Existenz dieses Marktes zu behaupten und damit mögliche Interessenten erst aufmerksam zu machen.

Die SPD hat in den letzten Tagen ihre Rücktrittsforderung an Minister Schmidbauer nicht wiederholt; Scharping warnt neuerdings vor „Vorverurteilungen“. Ist womöglich gar nicht so viel dran an der Plutonium-Geschichte?

Ich kann der SPD nicht raten, in dieser Affäre zu wackeln. Die Aufgabe der Opposition ist jetzt Aufklärung. Die SPD muß sich natürlich darüber im klaren sein, daß dabei auch ihre eigenen Leute ins Kreuzverhör geraten werden, der BND-Präsident Konrad Porzner, womöglich auch Willfried Penner, der zum Zeitpunkt des Schmuggels Vorsitzender der Parlamentarischen Kontrollkommission war. Wenn die SPD von dieser Aufgabe zur Aufklärung abrücken sollte, wäre das ein verheerender Fehler.

Auch die CDU/CSU-Fraktion ist jetzt für einen Untersuchungsausschuß. Spricht das nicht dafür, daß die Regierung sich in einer starken Position fühlt?

Im Gegenteil. Die Union spielt da ein taktisches Spiel mit der Öffentlichkeit: Seht her, wir haben nichts zu verbergen. Tatsächlich hat sie aber keinerlei Aufklärungsinteresse. Indem sich CDU/CSU an einem Untersuchungsausschuß beteiligen, können sie auf den Untersuchungsgegenstand Einfluß nehmen. Die Christdemokraten versuchen also, die Aufklärung dieses Skandals zu bremsen, weil sie sie ohnehin nicht mehr aufhalten können.

Halten Sie Geheimdienste überhaupt für kontrollierbar?

Wir sehen uns durch diese Affäre eher darin bestätigt, daß die Dienste nicht besser kontrolliert, sondern aufgelöst werden müßten. Ihre Aufgabenbeschreibung stammt aus dem Kalten Krieg, und der ist vorbei. Der Plutonium- Schmuggel vom vergangenen Jahr sieht bisher ja auch sehr nach einer gefährlichen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme als Ausgleich für den Funktionsverlust der Geheimdienste aus. Die Bestellung eines beamteten Staatssekretärs als Aufseher, den die SPD kürzlich gefordert hat, würde daran nichts ändern. Interview: Andrea Dernbach