Regierung will sich selber kontrollieren

Plutoniumskandal: Jetzt wollen auch die Koalitionsfraktionen einen Untersuchungsausschuß / Opposition soll unglaubwürdig gemacht werden / Der Ausschußvorsitz geht an die Union  ■ Aus Bonn Hans Monath

Mit Hilfe der in der Wirtschaft verbreiteten Taktik der „unfreundlichen Übernahme“ will die Bundesregierung nun den Plutoniumskandal überstehen. Gegenüber dem von SPD und Bündnisgrünen beantragten Untersuchungsausschuß verhält sich die Koalition deshalb ähnlich wie ein Konzern, der ein gefährliches Konkurrenzunternehmen zwecks Lähmung aufkauft: Die Koalitionsstrategen haben sich entschlossen, lieber die Arbeit des Ausschusses mitzubestimmen, statt sich nur gegen Vorwürfe zu wehren.

Noch vergangene Woche hatten Koalitionspolitiker die Notwendigkeit eines Ausschusses schlicht geleugnet. In der heutigen Bundestagssitzung wird die Koalition aber nun ebenfalls die Einsetzung eines solchen Gremiums beantragen, wie der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Joachim Hörster, gestern ankündigte. Die Zielsetzung der Koalitionsparteien: Der Ausschuß soll nicht Verantwortlichkeiten und Fehler von Regierungspolitikern und Geheimdiensten aufdecken, sondern Anschuldigungen gegen Regierung und Behörden sowie angebliche Falschinformationen aus der Welt schaffen. Unionspolitiker ärgern sich angeblich darüber, daß die Oppositionsvertreter aus der geheimen Sitzung der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) vergangenen Donnerstag entweder falsch berichteten oder für Geheimdienstkoordinator Bernd Schmidbauer (CDU) entlastende Umstände und Erklärungen nicht weitergaben.

Den Untersuchungsausschuß hatten ursprünglich SPD und Bündnisgrüne gefordert. Allein die Stimmen der SPD hätten ausgereicht, den Ausschuß einzusetzen. In diesem Falle hätte die Opposition alleine den Untersuchungsauftrag des Ausschusses formulieren können. Der sozialdemokratische Partei- und Fraktionschef Rudolf Scharping sagte gestern, im Mittelpunkt des Ausschusses müsse die Frage stehen, was die im Kanzleramt Verantwortlichen „gewußt und gebilligt“ hätten. Nachdem die Koalition nun auch zustimmt, müssen sich die Fraktionen trotz unterschiedlicher Zielsetzung über die Formulierung des Untersuchungsauftrags einig werden. Hörster äußerte sich gestern skeptisch, daß bereits am heutigen Mittwoch ein genauer Untersuchungsauftrag formuliert werden könne.

Scharping bezeichnete den Plutoniumschmuggel mit einer Linienmaschine gestern erneut als „rechtswidrig“ und „an der Grenze des Verbrechens“, zollte aber der Vorneverteidigung der Union indirekt Respekt: „Ziel des Untersuchungsausschusses ist Aufklärung, nicht Vorverurteilung.“

Der Vorsitz des ersten Untersuchungsausschusses der Legislaturperiode steht der Union als größter Fraktion zu. Nach Informationen aus Unionskreisen soll das Gremium elf Mitglieder haben. Hörster wandte sich dagegen, daß Mitglieder der PKK zugleich dem Ausschuß angehören. Auch die PKK wird heute erneut zusammenkommen, um die Plutonium- Affäre zu durchleuchten.

Bayerisches Dementi

München (dpa) – Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) erklärte gestern vor dem Innenausschuß des Münchner Landtags: „Der Plutoniumschmuggel wurde von bayerischen Behörden weder inszeniert noch provoziert. Alle beteiligten Stellen arbeiteten auf das engste zusammen. Alle geltenden Bestimmungen wurden sorgfältig beachtet.“ Eine „verantwortungsvolle Gefahrenabwägung hatte von Beginn an bei allen Einsatzphasen oberste Priorität“. Der Vorwurf der Inszenierung sei barer Unsinn.