Schirm & Chiffre
: BehTehIcks für Jedermann

■ Medien in Berlin: Online-Dienst der Telekom

„Btx machen doch nur Wichser“, sagte mir unlängst ein Profi- Net-Surfer, der seine Meriten im Internet erworben hatte. Komisch, dem Bildschirmtext- Dienst der Telekom eilt ein geradezu legendärer Ruf voraus. Btx, das ist die Schmuddelecke unter den Datennetzen: deutsch, klein und häßlich.

Nichtsdestotrotz habe auch ich seit kurzem Btx, das jetzt Datex-J heißt, wobei das Jot für Jedermann steht, was schon wieder witzig ist. Meine Bank wollte für die Führung meines Kontos plötzlich derart unverschämt viel mehr Geld („Sind alles Halsabschneider!“ würde mein Vater sagen), daß ich nach einem kurzen Handgemenge mit dem Kassierer mein Girokonto auflöste. Voller Rachedurst trug ich mein bares Hab und Gut zur nächsten Post und eröffnete dort ein Konto. Gleichzeitig beantragte ich Btx für die „moderne Kontoführung von zu Hause aus“. „Wenn Se 'n PC mit Modem ham“, erklärte mir der Schalterbeamte, „dann könn' Se mit BehTehIcks det sojenannte Home- Banking machen.“ Das klang vielversprechend.

Einige Tage gingen ins Land, dann bekam ich Post. Zuerst eine Datex-J-Bedienungsanleitung (im hübschen magenta-grauen Erscheinungsbild der Telekom), dann (per Einschreiben) ein Kennwort für den Btx-Zugang, dann (ebenfalls per Einschreiben) eine „persönliche Identifikationsnummer PIN“ für die Kontoführung, zuzüglich einer weiteren Bedienungsanleitung (diesmal im Blau-Rot der Postbank) sowie abschließend ein Blatt mit „100 Transaktionsnummern TAN“.

Die Anleitungen entpuppten sich als umständlich. Die Einwahlprozedur war vertrackt. Die Steuerbefehle sind ein kryptischer Wust aus „Rauten“ (a), „Sternchen“ (*) und irgendwelchen Seitenzahlen. Trotzdem: Nach mehrtägiger Desaster- Strecke war ich endlich drin im Datex-J, als einer von mittlerweile 780.000 Jedermännern.

Zuerst die Schmuddelecken: Bei Beate Uhse gibt's für 80 Pfg./ min erotische Literatur frei Haus: HAUSFRAUEN INTIM: SEXY UND SCHARF! („...umfaßte seinen steil aufgerichteten Freudenspender...“). Unter dem Schlagwort „Sexualwissenschaften“ betreibt ein Anbieter namens HAPPY WEEKEND ein Kontaktmagazin zum Preis von 1,30/min. Wer's noch nicht gesehen hat: All die kleinen Schweinereien kommen im Btx-typischen Videotext-Design aus der Computersteinzeit daher. Das hat inzwischen fast schon museale Qualität. Ein grobgepixeltes Pornobildchen soll 9,90 kosten. Da siegt der Geiz ganz von allein über die Neugier.

Also besann ich mich auf mein eigentliches Anliegen: Electronic Banking, das war mein Ziel! Mit „*28000110a“ (das nenne ich kontraintuitive Benutzerführung!) wählte ich die Berliner Postbank-Niederlassung an. Dann tastete ich mich über PINs und TANs beherzt zu meinem Konto vor. Und wirklich: es war da! Ein Befehl, und der Schirm meines PC verkündete – mitten im Wohnzimmer! – meinen aktuellen Kontostand. Es war weniger, als ich erwartet hatte. Die Rechnung der Telekom hatte deutlich zu Buche geschlagen („Alles Halsabschneider!“ würde mein Vater sagen). Ich habe mir jetzt einen Zettel über den Computer gehängt. Darauf stehen die mahnenden Worte: „Wer zu lange im Netz hängt, kommt darin um.“ Martin Muser