Dusan Tadic erklärt sich für unschuldig

■ Erste Anhörung vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag / Prozeß gegen den Serben soll erst in einigen Monaten beginnen / UN-Menschenrechtsbeauftragter berichtet über Vertreibung in Bosnien

Den Haag (AP/AFP) – Erstmals seit den Nürnberger und Tokioter Kriegsverbrecherprozessen in den 40er Jahren muß sich wieder ein Angeklagter wegen Kriegsverbrechen vor einem internationalen Tribunal verantworten. Mit Verlesung der Anklageschrift und einer Anhörung des am Montag von Deutschland ausgelieferten bosnischen Serben Dušan Tadić begann gestern der erste Sitzungstag des internationalen Tribunals in Den Haag. Tadić werden Mord, Vergewaltigung und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Der 39jährige bezeichnete sich als nicht schuldig.

In der Anhörung vor dem 1993 von der Uno eingerichteten Tribunal sollte geklärt werden, ob der Angeklagte die Schuldvorwürfe versteht und ob er über ausreichenden Rechtsbeistand verfügt. Verteidigt wird der frühere Gastwirt von dem Utrechter Rechtsprofessor Mischa Wladimirnoff, der ankündigte, mit nicht näher erläuterten Anträgen Einfluß auf das Verfahren nehmen zu wollen. Die Fragen der drei Richter unter dem Vorsitz der amerikanischen Juristin Gabrielle Kirk McDonald wurden ihm von einem Simultandolmetscher vom Englischen ins Serbokroatische übersetzt.

Die meisten Greueltaten, derer Tadić beschuldigt wird, soll er in dem Gefangenenlager Omarska in der nordwestbosnischen Region Prijedor verübt haben. Die überwiegende Zahl der Opfer waren Muslime. Gegen weitere 22 Personen hat das Tribunal ebenfalls Anklage erhoben; Tadić ist aber der einzige, der bislang in Haft ist. Er war im Februar 1994 in München festgenommen worden. Der Prozeß wird erst in einigen Monaten beginnen, da Anklage und Verteidigung 60 Tage Zeit haben, sich auf das Verfahren vorzubereiten.

Unterdessen wird immer deutlicher, daß die Serben die „ethnische Säuberung“ in Bosnien nahezu abgeschlossen haben. Nach Angaben des UN-Menschenrechtsbeauftragten Tadeusz Mazowiecki ist die Zahl der Muslime und Kroaten in den serbisch kontrollierten Gebieten Bosniens um 80 bis 90 Prozent zurückgegangen. So hätten im nordbosnischen Banja Luka vor dem Krieg 625.000 Serben, 356.000 Muslime und 180.000 Kroaten gelebt. Heute sei die Zahl der Serben auf 719.000 gestiegen, die der Muslime aber auf 37.000, die der Kroaten auf 30.000 gefallen. Bei den Vertreibungen kommt es laut Mazowiecki immer wieder vor, daß bewaffnete Zivilisten sich als Polizisten ausgeben und Einwohner unter Gewaltandrohung zwingen, Wertgegenstände herauszugeben. Mazowiecki forderte die Serben auf, die Säuberungen zu beenden und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.