Steht auf, Blockierer dieser Erde

■ Kaum ist das Sitzen auf den Straßen höchstrichterlich erlaubt, wollen Union und FDP es wieder unter Strafe stellen / Demonstranten sollen den Polizeieinsatz beim Castor-Transport selbst bezahlen

Berlin (taz) – Nach dem Castor kommt die Rechnung: Die Bonner Unionsparteien wollen die Kosten für den Polizeieinsatz bei der Durchsetzung des umstrittenen Atomtransportes bei den Demonstranten eintreiben. Norbert Geis, rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, erklärte gestern, der Protest der Atomgegner sei rechtswidrig gewesen: „Der entstandene Schaden ist von den Schuldigen zu bezahlen.“ Der Einsatz der rund 6.000 Polizisten soll mindestens 30 Millionen Mark gekostet haben.

Jörg van Essen, Rechtspolitiker der FDP, sprach sich zwar gegen diese Forderung aus, unterstützte aber einen anderen Vorschlag der Union. CDU-Generalsekretär Peter Hintze hatte eine Gesetzesinitiative angekündigt, Sitzblockaden künftig wieder unter Strafe zu stellen. Wie das gehen soll, bleibt offen – erst kürzlich hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, daß gewaltfreie Sitzblockaden lediglich Ordnungswidrigkeiten darstellen. Geht es nach dem Willen des Vorsitzenden des Bonner Rechtsausschusses, Horst Eylmann (CDU), dann müssen Sitzblockaden trotzdem „unbedingt“ wieder unter Strafe gestellt werden. Der Staat könne nicht hinnehmen, daß versucht werde, „mit Gewalt einen demokratisch legitimierten, von den Gerichten abgesegneten Transport“ zu verhindern.

Auch der Obmann der Unionsfraktion im Rechtsausschuß, Wolfgang von Stetten, will die Anti-Atom-AktivistInnen in Haftung nehmen: „Behindert ein Demonstrant beispielsweise durch eine Sitzblockade die ordnungsgemäße Fahrt eines Zuges und muß weggetragen werden, so können ihm diese Kosten nach einer Verurteilung auferlegt werden.“ Die Idee, die Kosten des Polizeieinsatzes den Betreibern der Atomanlagen in Rechnung zu stellen, kam im Verlauf der gestrigen Debatte gar nicht erst zur Sprache. Umweltministerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete den Streit um die Kosten als „absurd und in ganz hohem Maß gefährlich“. Wer fordere, derartige Rechnungen zu schreiben, begebe sich auf den Weg zur Privatisierung der Polizei. Der rechtspolitische Sprecher von Bündnis 90/ Die Grünen, Volker Beck, verwahrte sich gegen die kostenbewehrte „Einschüchterung des gewaltfreien Widerstandes“. Ursache der Kosten sei „diese gegen die Bevölkerung nicht durchsetzbare Atompolitik und nicht die legitime Reaktion der Bevölkerung“. Wolfgang Gast Seiten 6 und 10