Hochschulorchester im Kommen

■ Studenten dirigierten Beethoven: Orchesterwerkstatt der Hochschule unter der Leitung von Martin Fischer-Dieskau

Das Orchester ist eines der wichtigsten Statussymbole einer Hochschule für Musik. Und viel mehr als das: Ein Großteil der StudentInnen geht später ins Orchester, sie lernen also viel in einer kontinuierlichen Orchesterarbeit und zeigen in öffentlichen Konzerten gleichzeitig das gemeinsame Können vor. Martin Fischer-Dieskau hat im vergangenen Semester die ausgeschriebene Professurstelle für Dirigieren an der Hochschule übernommen, nachdem einige Semester gar nichts passiert war. Ihm obliegt also neben der pädagogischen Arbeit mit den Dirigierschülern auch die öffentliche Präsentation des Orchesters. Es wird nicht nur gemunkelt, sondern es ist auch Tatsache: Fischer-Dieskau läßt sich wenig sehen in Bremen. Im Falle des Orchesters deckt sich das mit den Wünschen der StudentInnen: Sie fanden das wöchentliche Proben, wo wichtige Stimmen häufig fehlten, unergiebig und wollten eine zusammenhängende Einstudierungszeit.

Eine solche fand nun seit letzten Donnerstag statt, und in dem anschließenden Konzert in der Kirche Unser Lieben Frauen fehlte mit Sicherheit eins: die Phase des Sich-Setzens der Materie, die sogar Profis schätzen.

Das Konzert in der Kirche Unser Lieben Frauen machte einen ambivalenten Eindruck. Es war noch viel von der Probenunruhe zu merken, was allerdings auch positive Auswirkungen hatte: Die Aufmerksamkeit der StudentInnen war enorm, alle waren wild entschlossen, ein gutes Konzert abzuliefern. Fischer-Dieskau hat für das Orchester ein weiches transparentes Klangbild erreicht, das auch in seiner Flexibilität überzeugt. Ludwig van Beethovens erste Sinfonie dirigierten zwei Studenten: bewußt und ordentlich im Schlag Stefan Geiger und impulsiv aus dem Körper heraus Rida Mutarda, beides schöne und vielversprechende Leistungen.

Arvo Pärts ruhig in die Horizontale fließendes „In Memory of Benjamin Britten“ wirkte regelrecht zerhackt durch das übergroße Taktschlagen Fischer-Dieskaus. Es war nicht zu erkennen, ob es sich hier um eine pädagogische Maßnahme oder um eine grundsätzlich dirigiertechnische Entscheidung handelte. Die Wiedergabe der ersten beiden Sätze von Bela Bartoks „Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta“ läßt allerdings eher das zweite vermuten. Das brillante Orchesterstück aus dem Jahr 1936 erklang sorgfältig aufgebaut in der Fuge des ersten Satzes und vital in den Klangfarben und Rhythmen des zweiten Satzes.

Auch wenn das Konzert mit „Orchesterwerkstatt“ bezeichnet wurde und damit jede Kritik sich eigentlich erledigt, so ist doch zu fragen, warum nur zwei Sätze dieses zyklischen Werkes gespielt wurden. Waren die letzten beiden Sätze zu schwer, oder die Probenzeit zu kurz? – Dann muß man's lassen. Insgesamt ein guter, wenn auch nicht sehr guter Eindruck. Er läßt hoffen, daß das Hochschulorchester mit seinen vielen Potentialen bald wieder eine Rolle in der Stadt spielen wird.

Ute Schalz-Laurenze