„Freiwillige“ Abschiebungen

■ Um Bürgerkriegsflüchtlinge loszuwerden, bedient sich die Ausländerbehörde eines Tricks: Sie fliegt sie nach Bulgarien aus

Mit zweifelhaften Methoden versucht die Berliner Ausländerbehörde, Bürgerkriegsflüchtlinge nach Serbien und Montenegro abzuschieben. Die Abschiebungen werden nicht als Abschiebungen deklariert, sondern als freiwillige Ausreise. Hintergrund dieses Tricks: Abschiebungen nach Restjugoslawien sind faktisch nicht möglich. Direktabschiebungen auf dem Luftweg nach Belgrad verhindert die serbische Regierung auch nach Wiederaufnahme des Luftverkehrs mit der Bundesrepublik.

Gegenüber dem Berliner Verwaltungsgericht bestätigten jetzt sowohl der Bundesgrenzschutz in Koblenz als auch die Überführungsstelle der Berliner Polizei, daß in den vergangenen Monaten keine Abschiebungen nach Belgrad durchgeführt werden konnten. Als Ausweichmöglichkeit hat die Ausländerbehörde deshalb einen Umweg über Bulgarien gesucht: Bürgerkriegsflüchtlinge werden nach Sofia geflogen und mit einem Bahnticket Richtung serbische Grenze ausgestattet.

Der Umweg über das Drittland Bulgarien funktioniert jedoch nur, wenn die Abgeschobenen als solche nicht zu erkennen sind. Die bulgarischen Behörden lassen ausdrücklich nur die einreisen, die freiwillig als Touristen auf dem Flughafen landen. Deshalb stempelt die Ausländerbehörde den Flüchtlingen, die zuvor in Abschiebehaft genommen wurden, nicht den Vermerk „abgeschoben“ in die Pässe, sondern „freiwillig kontrollierte Ausreise“. „Eine bewußte Irreführung“ nennt die Rechtsanwältin Elisabeth Reese von der Asylberatung der Heilig- Kreuz-Gemeinde dieses Vorgehen. „Die Leute werden in Abschiebehaft gehalten und wissen nicht, daß sie eigentlich nur mit eigener Zustimmung zurückgebracht werden können.“

Ob die „freiwillig“ Abgeschobenen nach ihrer Landung in Bulgarien je an die serbische Grenze gelangen und ob ihr Heimatstaat sie dort überhaupt aufnimmt, ist nicht bekannt und kann von den Berliner Behörden auch nicht kontrolliert werden. „Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird auch die freiwillige Einreise verweigert“, urteilte jüngst das Verwaltungsgericht. In mehreren Beschlüssen hat das Verwaltungsgericht diesen Abschiebepraktiken der Ausländerbehörde eine klare Rüge erteilt. Direkte Rückführungen nach Belgrad seien nicht praktikabel, und indirekte über Bulgarien seien juristisch keine Abschiebungen.

Die Ausländerbehörde ficht diese Rechtsprechung wenig an. Am Montag dieser Woche versuchte sie, den 26jährigen Zoran A. Richtung Serbien zu verfrachten. Frühmorgens war der Vater zweier kleiner Kinder von der Ausländerpolizei abgeholt und zum Flughafen gebracht worden. Dabei wußte die Behörde, daß das Verwaltungsgericht in Kürze über einen Antrag der Familie A. auf eine Duldung entscheiden wollte. Dem zuständigen Richter teilte die Ausländerbehörde am Telefon nur lapidar mit: Der Mann wird um 13 Uhr nach Sofia ausgeflogen.

Richter Kunath unterbrach daraufhin eine laufende Verhandlung, zog den Fall vor und entschied, der gesamten Familie A. müsse eine Duldung erteilt werden. Auch die telefonische Mitteilung des Gerichts über diesen Beschluß ignorierte die Ausländerbehörde. Erst als wenige Minuten vor dem Abflug die richterliche Entscheidung schriftlich vorlag, ließ man Zoran A. frei. Für den Richter stellt dieses Vorgehen der Ausländerbehörde „eine neue Qualität“ im Umgang mit gerichtlichen Entscheidungen dar. So etwas, erklärte Kunath, habe er im Laufe seiner 17jährigen Tätigkeit „nicht erlebt“. Vera Gaserow