Was zurückbleibt, ist Wut

■ betr.: Berichterstattung zum Ca stor-Transport

Der Castor ist im Zwischenlager in Gorleben eingetroffen, die Tausendschaften der Polizei rücken ab. Auch das Medienereignis „Castor“ hat ein Ende gefunden. Wir haben in den letzten Tagen die Berichterstattung aufmerksam verfolgt. Was zurückbleibt, ist Wut!

Erstens, weil sich die Berichte der Medien fast ausschließlich auf das Wendland und Philippsburg konzentrierten. Zweifellos spielten diese Orte die wichtigste Rolle im Kampf um den Castor-Transport. Die Breite des Widerstandes, der in der ganzen Bundesrepublik durch vielfältige Aktionen und Demonstrationen nachdrücklich geäußert wurde, wurde jedoch dabei völlig unterschlagen: zum Beispiel das Protestcamp in Düsseldorf, Castor-Mahnwachen in Helmstedt und bei Bremen, Kundgebungen in Köln, Bielefeld, Oldenburg, Bonn und immer wieder Demonstrationen und Aktionen in Göttingen, Siegen, Bensheim, Bad Honnef, Bielefeld, Moerfelden, Oldenburg, Waldorf, Groß Gerau mit zum Teil mehr als 2.000 TeilnehmerInnen.

Zweitens ärgerten wir uns über das oft formulierte Unverständnis vieler Journalisten darüber, warum gerade bei diesem Transport der Widerstand so gewaltig war, obwohl doch jährlich über 200 ähnliche Transporte durch Deutschland rollen. Einige glaubten sogar, einer „Castor-Hysterie“ beizuwohnen. Diese Journalisten wollen nicht einsehen, daß der Castor-Transport nach Gorleben zum Symbol für die Entsorgungslücke und die Sackgasse geworden ist, in der die Energiepolitik der Bundesregierung steckt. Daß der Widerstand gerade bei diesem Transport so groß ist, liegt auch nicht zuletzt an dem fast 20jährigen erfolgreichen Widerstand im niedersächsischen Wendland. Wer hier von Hysterie spricht, versucht den politischen Willen der Mehrheit der Bevölkerung lächerlich zu machen.

Schließlich übernahmen viele Berichte der Presse die Kriminalisierung des Widerstandes genauso, wie die Polizei dies vorgab. Dem Bau von Wurfankern zum Beispiel wurde in den Tagesthemen Zeit eingeräumt. Friedlichen Demonstrationen, an denen sich Tausende von Menschen beteiligten, hingegen nicht. Der Eindruck, es handele sich bei den Aktiven überwiegend um „Terroristen“, scheint bewußt provoziert. Abgesehen davon, daß militanter Widerstand in Form von Sachbeschädigung nicht mit Terrorismus gleichzusetzen ist, ging bei der Berichterstattung der letzten Tage die politische Dimension des überwiegend gewaltfreien Widerstandes völlig verloren.

Diese politische Dimension besteht einerseits in der Einsicht, daß eine Wende in der Energiepolitik längst überfällig ist, und andererseits in dem Willen, sich an politischen Entscheidungen zu beteiligen. Während über Politikverdrossenheit lamentiert wird, werden Proteste entweder überhört oder kriminalisiert und existierende Spielräume für politisches Handeln weiter eingeschränkt. In welcher Form kann sich die Bevölkerung wirksam einmischen, wenn sie nicht den ministeriellen Weisungen zustimmt und trotzdem Erfolg haben will? Carola Dietze, Astrid Schaffert,

Göttingen