Hochhuth statt Zadek?

■ Alteigentümer fordern Berliner Ensemble für Rolf Hochhuth / Senat versäumte den Ankauf des Theaters

Erst Mitte März hatte sich das Berliner Ensemble auf einen neuen Kurs verständigt. Nach dem Ausscheiden des Mit-Direktors Peter Zadek wollte man ab nächster Spielzeit die Stücke von Brecht und Heiner Müller pflegen, einen musikalischen Salon für Nachwuchs einrichten und ansonsten in Ruhe gelassen werden. Nun, die Ruhe ist wohl hin, denn gestern wurde bekannt: Das Berliner Ensemble ist käuflich. Gleich zwei Alteigentümer haben noch vor Dezember 1992 einen Antrag auf Rückübertragung der Gebäude Schiffbauerdamm 4/5 und 6/7 gestellt.

Der Berliner Kulturverwaltung war das bekannt, doch nach Angaben von Sprecher Rainer Klemke sah man keine Möglichkeit, einen Erwerb des Theaters für Berlin vorzubereiten, solange die Eigentumsverhältnisse noch ungeklärt waren. Das 1891/92 als „Neues Theater am Schiffbauerdamm“ gebaute Haus diente zeitweilig als Operettenbühne. Ab 1925 war es ein Schauspiel-Uraufführungshaus. 1938 ging das Theater in den Besitz des Schlossers Klaus Wertheim über, so Klemke.

Dies sei keine „Arisierung“ gewesen, betont Finanzsenatssprecher Klaus-Hubert Fugger. Das ist erstaunlich, denn erstens handelt es sich nach Klemkes Angaben bei der zweiten Alteigentümerin um die Erbengemeinschaft des jüdischen Kaufhauses Saloschin aus New York, zweitens könnten bei einem regulären Verkauf doch kaum doppelte Ansprüche geltend gemacht werden.

Die Saloschin-Gruppe und der heute ebenfalls in New York lebende Klaus Wertheim haben sich jetzt auf einen gemeinsamen Anspruch geeinigt, dem nach Angaben von Fugger nach einer ersten Durchsicht nichts entgegenzusetzen sei. Gegen eine Ausgleichszahlung von 4,5 Millionen Mark soll das Haus der Stuttgarter Ilse-Holzapfel-Stiftung überlassen werden.

Ilse Holzapfel war die Mutter des Dramatikers Rolf Hochhuth, der die Alteigentümer von seiner Sache überzeugt hat. Hochhuth würde das Berliner Ensemble als derzeit mit 23 Millionen Mark staatlich unterstütztes Schauspieltheater erhalten wollen, wobei er natürlich verstärkt auch an Aufführungen seiner eigenen Stücke denkt. Gerne würde er auch Zadeks Platz im Direktorium einnehmen. Brecht solle aber der Hauptautor an dieser Bühne bleiben, und er hoffe, daß Müller noch lange am Berliner Ensemble arbeiten werde.

Der Geschäftsführer des Berliner Ensembles, Peter Sauerbaum, zeigte sich „völlig überrascht“ von der jüngsten Entwicklung. Er sei erst am 24. April bei einem Gespräch mit dem Rechtsanwalt und Hochhuth davon unterrichtet worden, daß die Stiftung „weitreichende Pläne“ mit dem Theater habe. Aber wer sich auch immer wo reinzudrängeln vermag – Sauerbaum hat einen rechtsgültigen Pachtvertrag mit dem Land Berlin bis zum 31. Dezember 1997. Petra Kohse