Weltkommunikation besiegt die Arbeiterklasse

■ Mediengroßhändler Rupert Murdoch bedient sich der Rugby-Liga Australiens, um künftig den jungen Satellitenfernseh-Markt des Landes zu beherrschen

Sydney (taz) – Eine der beiden wichtigsten australischen Wintersportarten ist gespalten durch einen erbitterten Machtkampf, der einer neunzigjährigen Tradition ein Ende gemacht und die Beziehungen zwischen Clubs, Spielern und Funktionären vergiftet hat. Die Rugby-Liga ist der Gier des internationalen Mediengroßhändlers Rupert Murdoch zum Opfer gefallen, der den lokalen Markt für das Satellitenfernsehen beherrschen will. Seit April nimmt Murdochs News Corporation die besten Spieler des Landes unter Vertrag, um im nächsten Jahr oder vielleicht auch erst 1997 seine eigene Liga aus dem Boden zu stampfen.

Man muß ein bißchen in die Geschichte zurückschauen, um die Wut und Verwirrung zu begreifen, die Murdochs Schachzug in Australien und England ausgelöst hat. Die Rugby-Liga ist die professionelle Version des Rugby und ist vor allem in Nordengland und den beiden östlichen Ländern Australiens verbreitet, in New South Wales und Queensland. Bis in die achtziger Jahre war Profi-Rugby nur in einzelnen Städten organisiert, unter denen Sydney die größte war. Noch in den siebziger Jahren gab es in Sydneys Liga nur acht Clubs, alle in innerstädtischen, vorwiegend von Arbeitern bewohnten Vierteln verankert.

Allmählich erkannten jedoch die Funktionäre, daß sie ihre Anziehungskraft für Fernsehen und Sponsoren steigern konnten, wenn sie die Konkurrenz erweiterten. Starke Mannschaften aus Städten wie Brisbane und Canberra schlossen sich an und wurden schnell übermächtig. Wenn eine ganze Stadt nur eine Mannschaft trägt, konnte sie mit ihren finanziellen Möglichkeiten die alten Mannschaften aus Sydney mühelos an die Wand drücken.

So wurde die Rugby-Liga zu einem begehrten Fernsehprodukt. Die jährlichen Spiele zwischen New South Wales und Queensland, über den Sender Channel 9 übertragen, erzielten die höchsten Zuschauerzahlen ganz Australiens. Channel 9 gehört Australiens reichstem Mann, Kerry Packer, Murdochs Medienrivalen von Murdoch im Lande. Packers Macht bleibt jedoch im Gegensatz zum internationalen Konglomerat Murdochs ausschließlich auf Australien beschränkt.

Für Murdochs Fernsehunternehmungen war Sport immer ein entscheidendes Element. In Großbritannien holte sich sein BSky B- Satellitenprogramm 1992 die Fernsehrechte für den Fußball der Premier League. In Amerika verblüffte Murdochs Fox-Sender die traditionellen Fernsehsender, als er die Fernsehrechte für die National Football League erwarb.

Bei der Eroberung des australischen Satellitenfernseh-Markts stand er jedoch vor dem Problem, daß Channel 9 bis ins Jahr 2000 die Fernsehrechte am Profi-Rugby der Liga besaß. Für News Corp gab es nur eine Lösung: die gegenwärtige Struktur zu zerschlagen und eine eigene „Superliga“ zu gründen.

Sie sieht private Lizenzclubs in jeder größeren australischen Stadt vor, aber nur drei für Sydney. Das bedeutet das Ende für Sydneys Traditionsvereine, deren gehaltslimitierte Spieler sich durch riesige Summen schnell zur „Desertion“ bewegen ließen. Über hundert Spieler, darunter sämtliche Spitzenstars, unterzeichneten innerhalb weniger Tage lukrative Verträge mit der Superliga, ebenso wie mehrere Trainer und Schiedsrichter. Die Verträge werden wirksam, sobald ihre gegenwärtigen auslaufen. Gegenangebote der alten Liga, die durch Packer finanziell unterstützt wurde, konnten die Flut nicht zum Stehen bringen. Murdochs Coup war fast perfekt, als er den englischen Verband ebenfalls dazu bewegen konnte, in sein Lager überzulaufen. Damit stellte er sicher, daß seine australischen Spieler nicht vom internationalen Spielbetrieb ausgeschlossen würden. Angesichts finanzieller Schwierigkeiten konnte der englische Verband den angebotenen Summen nicht widerstehen. Auch dort wird der Spielbetrieb zu einer Superliga mit vierzehn Vereinen rationalisiert werden.

Die Rugby-Liga war immer in erster Linie ein lokales Spiel der Arbeiterklasse, eine gegenüber allen äußeren Einflüssen ziemlich abgeschlossene Bruderschaft, verankert in den alten innerstädtischen Vierteln Sydneys (inzwischen weitgehend verbürgerlicht) und den kleinen Industriestädten Nordenglands. In beiden Ländern ist oder war Rugby ein trotzig nach innen gerichteter Sport, mit kleinen Clubs, die eine enge Verbindung zu ihren lokalen Gemeinden bewahrten. Diese lokalen Beziehungen sind jetzt die neuesten Opfer der Revolution in der Welt- Kommunikation. Murdoch muß sich in beiden Ländern noch in Gerichtsverfahren behaupten, aber während die Saison hier in einer Atmosphäre des Mißtrauens und der Ungewißheit weitergeht, scheint der Realisierung seiner Pläne nichts mehr im Weg zu stehen. Mike Ticher

Aus dem Englischen von Meinhard Büning