Hexentanz und Wasserwerfer

■ Eine friedliche Walpurgisnacht auf dem Kollwitzplatz endete in einer stundenlangen Straßenschlacht, an deren Entstehung die Polizei mit ihrem unverhältnismäßigen Vorgehen großen Anteil hatte

Schwer zu sagen, ob die Walpurgisnacht auf dem Kollwitzplatz in Prenzlauer Berg unausweichlich so enden mußte – in einer verbissenen Antikommunikation zwischen Stein- und BierflaschenwerferInnen auf der einen Seite und schlagstockschwingenden PolizistInnen im Gefolge eines Wasserwerfers auf der anderen Seite, die dann bis drei Uhr am Morgen das Geschehen bestimmte. Bis 22.30 Uhr jedenfalls war nichts weiter geschehen, als daß auf dem Platz zwei Feuer brannten, um die einige Hexen mit und ohne Besen sowie deren männliche Begleiter herumtanzten. Die Umstehenden tranken Bier und kommentierten die Sprünge der Feuerteufel.

Um 23 Uhr waren die Feuer gelöscht. Und jeder weitere Versuch, sie wieder zu entfachen, rief sofort behelmte Polizeitrupps auf den Plan, die die Menge ruppig vor sich her trieben und nach einigem Hin und Her den Platz räumten. Ohne Vorwarnung hatte die Polizei die Räumung damit eingeleitet, reichlich Tränengaspatronen zu verschießen. Die Menge war in die Kollwitzstraße ausgewichen, nur um sich dort in weiteren Gasschwaden wiederzufinden. Noch auf dem Platz hatten die ersten damit begonnen, Polizisten mit Bierflaschen zu bewerfen. Als dann in den Seitenstraßen und rund um den „Kolle“ das übliche Berliner Katz-und-Maus-Spiel zwischen Polizei und Publikum begann, war es für eine gelassene Beendigung der Walpurgisnacht zu spät. Unzählige Male umrundeten Polizeiwannen und Wasserwerfer den Platz, unter stetem Beschuß mit Steinen und Flaschen.

Gegen Mitternacht hatten sich nach Polizeiangaben etwa 2.000 Personen auf dem Kollwitzplatz versammelt. Nachdem Polizisten weiter mit Steinen und Flaschen beworfen und Straßenblockaden errichtet wurden, räumte die Polizei gegen ein Uhr mit Wasserwerfern und unter Einsatz von Tränengas den Platz zum ersten Mal. Zwei Stunden später räumte sie mit etwa 600 Beamten vor Ort den Platz erneut. Ab vier Uhr hatte sich nach Angaben der Polizei „die Lage beruhigt“. Bilanz: 36 Personen wurden wegen schweren Landfriedensbruchs, Sachbeschädigung und Widerstand festgenommen, 27 von ihnen kamen bis gestern nachmittag wieder frei. Von den 72 verletzten Polizisten mußten sechs ins Krankenhaus gebracht werden. Wie viele Jugendliche verletzt wurden, konnte die Polizei gestern nicht sagen.

Ein 26jähriger Bürokaufmann stellte gestern Strafanzeige gegen Beamte wegen Körperverletzung. Den Einsatz am Kollwitzplatz bezeichnete er als „Armutszeugnis für die Polizei“. Der Jurastudent Dirk Schilow, der wie viele andere auch ohne Vorankündigung mit Tränengas eingenebelt wurde, erwägt „sehr ernsthaft“, Strafanzeige gegen den Einsatzleiter wegen der Verwendung von Tränengas zu stellen. „Ich fände es gut, wenn jeder, der was abbekommen hat, auch Anzeige erstattet“, so der 23jährige zur taz. „Das wäre politisch wirksamer.“

Es waren die meisten, die die routinemäßige Randale bedauerten oder den sie vor sich her schubsenden Beamten zu erklären versuchten, daß sie eigentlich nur ein bißchen hatten herumstehen, dem Feuer zusehen und ein Bier trinken wollen. Nur: Die hatten kein Ohr dafür. Sie hatten Helme auf. Bettina Markmeyer/

Barbara Bollwahn