Pro 7 an der Quelle

■ Noch dieses Jahr wollen "Quelle" und Pro 7 gemeinsam den ersten deutschen Teleshopping-Kanal namens H.O.T. starten

Das Wichtigste beim Teleshopping ist die Klubatmosphäre, „you become a family member“. Roy Speer muß es wissen. Schließlich hat er den ersten US-Teleshopping-Kanal gegründet, und der macht jedes Jahr mehr als eine Milliarde Dollar Umsatz. Letzte Woche ist er zum „Münchner Werbegipfel“ gekommen, um deutschen Werbefachleuten und Managern seine gesammelten Erfahrungen weiterzugeben. Speers zweite Regel: „Garantieren Sie den Kunden unbedingtes Rückgaberecht.“ Und drittens: „Versprechen Sie ihnen nicht zu früh zu viel.“

Mit dem Mausklick ins virtuelle Kostüm

Vor allem dies ist ein wichtiger Rat. Denn es wird noch einige Jahre dauern, bis die Hausfrau (82 Prozent der Homeshopping-Kunden in den USA sind weiblich) tatsächlich ihr Paßfoto in die Fernbedienung am heimischen Couchtisch einscannen und sich, nach ein paar Mausklicks, dreidimensional im erträumten Kostüm begutachten kann, das sie anschließend per Fernbedienung bestellt.

Vorerst soll in Deutschland die konventionelle Erfolgsvariante der zehn amerikanischen Homeshopping-Sender wiederholt werden: ein Werbeprogramm mit eingeblendeter Telefonnummer. Ökonomisch müßte das funktionieren, meinen die Marketingfachleute. Gibt doch die deutsche Durchschnittsfamilie im Versandhandel mit 1.300 Mark jährlich sogar 50 Prozent mehr aus als ihr US- Pendant. Die Beratungsfirma Prognos schätzt den Markt für das Jahr 2000 auf drei Milliarden Mark. Vorausgesetzt, zehn Prozent der TV-Haushalte haben sich bis dahin für das herannahende digitale Fernsehen ausgerüstet.

Als Pioniere haben sich nun drei bayrische Unternehmen zusammengetan: Das Nürnberger Versandhaus Quelle („Nummer 1 in Europa“) bietet die Waren feil, der Kirch-Familiensender Pro 7 (Marktanteil knapp 10 Prozent) winkt mit seiner besonders jugendlichen Fangemeinde, und die Münchner Staatskanzlei will für die rechtliche Absicherung sorgen und trommelt gegen das Mißtrauen von „rot-grünen Zirkeln“ und „Sozialphilosophen“ (Erwin Huber). Bisher ist Homeshopping nämlich auf jedem Kanal nur täglich eine Stunde erlaubt.

Auf dem Münchner „Werbegipfel“, einer Art PR-Messe für privates Fernsehen, präsentierten die drei ihr Joint-venture: den Shopping-Kanal H.O.T. (Home Order Television). Er zielt mit seiner Hotline offenbar auf junge Kunden, die bislang angesichts der Nachnahmepakete ihrer Mütter eher die Nase rümpften. Es geht also um die Zielgruppe für die Zeit nach der Jahrtausendwende – dann, wenn Computer und TV- Schirm eins geworden sind. Ausprobiert hat Quelle, genauso wie der Otto-Versand, den Bedarf der Computerkids schon mal mit Kaufhauskatalogen auf CD-ROM. In wenigen Wochen haben sich die ersten Otto-Scheiben immerhin 70.000mal, die von Quelle 50.000mal verkauft.

Vor allem genormte Produkte sind gefragt

An der Uni München hat eine Arbeitsgruppe ein paar hundert verkabelte MünchnerInnen nach ihren Shoppingwünschen befragt. Anders als in den USA, wo in erster Linie Schmuck und Kleidung tele-bestellt wird, würden Deutsche offenbar eher genormte Produkte wie CDs, Bücher und kleine elektrische Geräte vom Bildschirm bestellen. Allerdings: als sogenannte „Akzeptierer“ haben die Forscher nur 14 Prozent der Kabelnutzer identifiziert, der Rest äußert sich bislang indifferent oder ablehnend.

Probleme hat Pro 7 auch noch mit den rechtlichen Voraussetzungen des Teleshoppings. Bislang fällt es unter den Rundfunkbegriff – und müßte daher bei den Medienanstalten eine Lizenz beantragen. Der Thomas-Kirch-Sender Pro 7 hätte da mit H.O.T. kaum eine Chance, nachdem schon sein jüngster Ableger Kabel 2 wegen der (immer wieder bestrittenen) Verbindung zu dem TV-Imperium seines Vaters keine Lizenz bekam.

Und so mußte Staatsminister Erwin Huber sich auf dem „Werbegipfel“ dafür stark machen, Homeshopping-Kanäle aus dem Rundfunkbegriff herauszunehmen – sie seien schließlich nichts anderes als ein „elektronisch erstellter und verbreiteter Versandhauskatalog“. Ja, sagen da die Landesmedienanstalten – wenn es beim Katalog bleibt. Nur vermuten sie, daß die Zuschauer mit anderem als reiner Werbung geködert werden sollen. Für den schon Mitte des Jahres startenden Multimedia- Großversuch in Nürnberg hat Quelle schon angekündigt, den interaktiven Fernsehern auch „Unterhaltungsangebote“ zu machen. Angehübscht mit Infotainment und Gewinnspielen käme das Teleshopping aber um eine Lizenz nicht herum. Michael Rediske