„Seetiger“ bereiten Friedenslämmern Probleme

■ Sri Lankas Tamilen-Rebellen demütigen das Militär mit Flugzeugabschüssen

Delhi (taz) – Als am Freitag abend ein Armeeflugzeug der srilankischen Luftwaffe über der Halbinsel Jaffna brennend abstürzte, hieß die offizielle Ursache noch „Ausbruch von Feuer an einem Flügel“, und der Militärsprecher in Colombo schloß Sabotage aus. Doch als am Samstag in der gleichen Gegend ein zweiter Avro- Flieger kurz vor der Landung Feuer fing und am Boden zerschellte, war kein Zweifel mehr möglich. Der Pilot, in Funkkontakt mit der Luftwaffenbasis von Palali, hatte noch „Missile Attack!“ rufen können, bevor die Verbindung abbrach.

Sri Lankas Präsidentin Kumaratunga kehrte sogleich von ihrem Besuch in Frankreich nach Colombo zurück. Ihre Präsenz am Gipfel der Staatschefs der südasiatischen Gemeinschaft SAARC, der heute in Delhi beginnt, wurde auf das protokollarische Minimum von einigen Stunden gekürzt. Und alle 1.-Mai-Feiern in Colombo, normalerweise Anlaß von Großveranstaltungen, wurden abgesagt.

Die Fehleinschätzung des ersten Absturzes zeigt ebenso wie die überstürzte Heimreise der Präsidentin, was für ein Schock die beiden Flügzeugabstürze und die Gesamtzahl von beinahe hundert Todesopfern in Sri Lanka ausgelöst haben. Denn sie bedeuten nicht nur eine Eskalation des neuausgebrochenen Konflikts. Die von Boden-Luft-Raketen verursachten Abstürze könnten gleichzeitig eine neue Dimension in die Auseinandersetzung zwischen der Regierung und der tamilischen Untergrundorganisation LTTE einführen. Die srilankischen Streitkräfte hatten im zwölfjährigen Konflikt bisher eine leichten strategischen Vorteil gehabt, weil sie den Luftraum beherrschten. Das erlaubte es ihnen, im Norden des Landes Vorwärtspositionen zu halten, die sie aus der Luft versorgen konnten. Die vollständige Luftbeherrschung ließ auch den Flugzeugpark veralten, da die knappen Geldmittel des Militärs statt dessen in neue Ausrüstungen für Armee und Marine flossen.

Die veralteten Flugzeuge ebenso wie der luftunterstützte Unterhalt von Brückenköpfen auf Feindesgebiet drohen sich nun fatal auf die Angriffskraft der Militärs auszuwirken. Die großen Armeelager auf der Südseite der Halbinsel Jaffna ebenso wie die Luftwaffenbasis von Palali und der damit verbundene Hafen von KKS können theoretisch auch vom Meer aus versorgt werden. Aber die große Zahl von Militärpersonal – angeblich über 25.000 – ebenso wie die geringen Lagerkapazitäten von ein bis zwei Wochen machen regelmäßige Operationen riskant, da die „Seetiger“ der LTTE – der nautische Flügel der Guerilla – in der Vergangenheit ihre selbstmörderische Effizienz zur Genüge bewiesen haben. Eine starke Armee- einheit, die sich vor zwei Jahren über Land zum Stützpunkt bei der „Elefanten-Passage“ vorgekämpft hatte, wurde von LTTE-Guerillas in die Zange genommen und mußte zahlreiche Leichen zurücklassen. Die Vernachlässigung der Luftwaffenausrüstung erstaunt, denn auch oberflächlichen Beobachtern war klar, daß LTTE-Chef Prabhakaran auf eine Beendigung seiner Luftunterlegenheit hinarbeiten würde. Die Effizienz von Stinger-Raketen hatte er im Afghanistan-Krieg beobachten können, und sowjetische SAM-Raketen sind in den Waffenbazaren der Region leicht erhältlich. Prabhakaran hatte sein strategisches Denken bereits unter Beweis gestellt, als er neben seinen Dschungeltrupps mit den „Seetigern“ die weltweit wohl erste Guerillamarine aufbaute.

Die Friedensstrategie von Präsidentin Kumaratunga gerät nun unter Druck. Die Zahl der Optimisten, die darin nur ein Pokern der LTTE-Führung für eine bessere Ausgangslage bei späteren Friedensverhandlungen sehen, wird immer kleiner. Colombos Zeitungen sprechen bereits vom Ausbruch des „Dritten Eelam-Krieges“. Bernard Imhasly